mercredi 12 mars 2014

158. 11ZB. 1943 Rapport sur la question des otages (vo)

Archives des Cinquante Otages de Nantes (1941)
1943
Rapport du MBF sur la question des otages (version originale)

Eléments justifiant la date : n° 5/43 (feuillet 10), 17.12.42 (feuillet 17)


Classement







Je transcris ci-dessous un document des Archives municipales de Nantes.
Référence :
Cote 11 Z : documents des Archives militaires allemandes
Fonds RW 35 308


Les documents sont foliotés (numéro en gras en haut à droite)
Les astérisques renvoient à des notes (sous la transcription)


TRANSCRIPTION
Dactylographie

« 
                                                                                                                                 109

Vorbeugungs- und Sühnemassnahmen des Militärbefehlshabers
               in Frankreich zur Bekämpfung der Sabotage in
                                       Frankreich.
A – Einleitung
I. Sabotage im allgemeinen.
Diese Umgestaltung der Verhältnisse, die die Besetzung feind-
lichen Gebietes mit sich bringt, pflegt sich nicht ohne Rei-
bungen abzuwickeln. Die Bevölkerung befindet sich in einem ge-
wissen Gärungszustand. Der Verlust der nationalen Unabhängig-
keit, die Beschränkung der persönlichen Freiheit, der Druck
der Besatzungskosten und –auflagen, überhaupt der vielfach
unvermeidliche Gegensatz zwischen den Belangen der Bevölkerung
                                                                                                      ???
und den ihnen vorgehenden der Besatzungsmacht hinterlässt (mm)
Spannungen aus; dazu tritt im gegenwärtigen Kriege – den Kriegen
der Neuzeit seit der französischen Revolution unbekannt – der
Gegensatz zwischen der tragenden politischen Ideologien (sic>-ie?), demr
kämpfenden Staaten, dem Nationalsozialismus, überhaupt den
autoritären Regimen einerseits, dem Bolschewismus ????????
????????
und dem demokratisch-parlamentarischen Regime ande-
rerseits; er machte den Kampf über das rein Militärische und
Staatspolitische hinaus zur weltanschaulichen Auseinanderset-
                                                       in einem ??????? ????
zung. Bei dieser Sachlage werden sich (mm) immer unbesonnene oder
böswillige Elemente in der Zivilbevölkerung finden, die glau-
ben, den Kampf gegen die Besatzungsmacht aufnehmen zu sollen
– besonders dann, wenn ihr Widerstand von Kräften ausserhalb
des besetzten Gebietes genährt wird. Die kriegsgeschichtliche
Erfahrung lehrt, dass mit der Besetzung von Feindesland der
Versuch der Auflehnung einzelner Personen, einzelner – selb-
ständig oder zusammenarbeitender –Gruppen oder auch grösserer
Volksmassen gegen diese Unterwerfung unter eine fremde, feind-
liche Staatsgewalt regelmassig verbunden ist. Dies äussert
sich in Angriffen der verschiedensten Art auf die Angehörigen
der besetzenden Wehrmacht, auf ihre Ausrüstung, Einrichtungen
und Anlagen, auf ihr inneres Gefüge, ihre Widerstandskraft
unmittelbar, dann aber auch in Anschlagen auf solche Bestand-
teile des einheimischen Verwaltungs- und Produktionsapparates,

Feuillet 2

                                                                                                                                 110

die gutwillig oder von der besetzenden Macht gezwungen
für diese arbeiten. Dazu kommen in neuerer Zeit die Störun-
gen und Zerstörungen der Verkehrseinrichtungen, öffentli-
chen Versorgungsbetriebe, anderer lebenswichtiger Betriebe,
von deren Fortgang die Versorgung grosser Menschenmassen
abhängt, die Erregung von Unruhen in der Bevölkerung durch
bösartige Gerüchtemacherei und die planmässigen Störungen
des friedlichen Zusammenlebens zwischen Bevölkerung und
Besatzungsmacht, ja selbst Anschläge auf die zivilen Staats-
angehörigen der besetzenden Macht, ihre Schädigungen an
Leib, Leben und Eigentum.
Der Sprachgebrauch in den besetzten westlichen Gebie-
ten bezeichnete – in Anlehnung an verwandte Tatbestände des
innerdeutschen Rechts – solche Anschläge auf die Besatzungs-
macht aus Reihen der Zivilbevölkerung als Sabotage, die aus-
führenden Elemente als Saboteure. Sabotage ist also im Be-
setzten Gebiet die Fortsetzung des Kampfes durch Angehörige
der Zivilbevölkerung, d.h. in illegaler (völkerrechtswidri-
ger) Form. Von anderen Rechtsbrechern, die äusserlich in
gleicher Weise handeln können, unterscheidet sich das Täter-
bild des Saboteurs durch Beweggrund und Ziel.
Der Saboteur handelt aus irgendwie fundierter feindse-
liger Einstellung gegen die Besatzungsmacht; sie mag zu-
rückgehen auf verletzten Nationalstolz, auf Hass gegen das
vom Besetzenden verkörperte politische Prinzip oder sonst
irgendwie andere Wurzeln haben. So war es im besetzten
                                                       anfanglich
Frankreich der Kommunismus, der (mm) die Führung im Kampf gegen
die deutsche Besatzungsmacht übernommen und damit auch der
Sabotagebekämpfung ihr doppeltes Gesicht – ein militäri-
sches und ein weltanschaulich-politisches – gegeben hat.
In jedem Fall ist das Motiv des Saboteurs ein politisches.
Der Landeseinwohner, der einen Angehörigen der Besatzungs-
macht aus Eifersucht ersticht, mag ein Mörder oder Totschlä-
ger sein, Saboteur ist er nicht. Der Unterschied ist

Feuillet 3

                                                                                                                                 111

bedeutsam für die Frage der Repressalien, die für feind-
selige Handlungen gegen die Besatzungsmacht, nicht aber für
die Folgen privater und persönlicher Auseinandersetzungen
verhängt zu werden pflegen.
Das Ziel des Saboteurs – wenigstens das nächste – ist
in jedem Falle die Schädigung der Besatzungsmacht oder ih-
rer Angehöriger als solcher, die Schwächung ihrer inneren
und äusseren Widerstandskraft, womit weitergehende Zielset-
zungen verbunden sein können. Sie soll in ihrer Kampfkraft
getroffen, durch die Stiftung von Unruhen und Verwirrung,
durch Weckung und Stärkung des Widerstandswillens in der Be-
völkerung zu erhöhtem Einsatz gezwungen oder an anderem
Einsatz gehindert werden.
Die Mittel, mit denen der Saboteur dieses Ziel zu er-
reichen sucht, sind in ihrer Vielfältigkeit nicht aufzu-
zählen. Es gibt kaum ein Lebensgebiet, auf dem die Besat-
zungsmacht in Erscheinung tritt, kaum eine Funktion, die
sie übernimmt, ohne dass der Saboteur ihr dorthin zu folgen
sucht. Von der Kabeldurchschneidung bis zum Anschlag auf
grosse Nachrichtenanlagen, vom Zerschneiden von Reifen an
Kraftwagen bis zum Sprengstoffanschlag auf vollbesetzte
Truppenzüge, vom nächtlichen Anschiessen einen einsamen Po-
stens bis zum Bewerfen marschierender Kolonnen mit Spreng-
körpern am hellen Tage, vom heimlichen Einführen von Fremd-
körpern in die Maschinen kriegswichtiger Betriebe, von
der absichtlich mangelhaften Herstellung kriegswichtiger
Gegenstände bis zur Aufforderung zur offenen Arbeitsverwei-
gerung ist dem Saboteur jedes Mittel recht. Er scheut vor
Mord, Brandstiftung, Verbergen und Unterstützung feindlicher
Agenten, Verbreiten von Greuelnachrichten in der Bevölkerung,
dem Versuch zersetzender Propaganda in der Besatzungsmacht
selbst, vor gemeingefährliche Verbrechen jeder Art nicht
zurück. Vom Messer bis zur automatischen Schusswaffe, von
der primitiven Röhrenbombe mit Schwarzpulverladung und

Feuillet 4

                                                                                                                                 112

Zündschnur bis zum hochmodernen Sprengkörper mit Kalium-
chlorat- oder Hexogenfüllung und
kompliziertem Zeitzünder,
wie er im besetzten Frankreich von englischen Flugzeugen mit
Fallschirm für die dem Gegner der Besatzungsmacht naturgemäss
nahestehenden Träger der Sabotage abgeworfen wurde, wird al-
les daran gesetzt, ebenso die modernen Verkehres- und Nach-
richtenmittel bei Vorbereitung der Tat und bei Flucht nach
ihrer Ausführung.

II. Sabotagebekämpfung im allgemeinen.
Die Sicherung der Angehörigen sowohl wie der Einrichtungen
und Anlagen der Besatzungsarmee gegen solche Sabotagehand-
lungen seitens der Landeseinwohner ist die wichtigste Aufga-
be jeder Besatzungsverwaltung. Die hierzu erforderlichen
Massnahmen zu treffen ist nicht nur eine Pflicht, die ihr
dem eigenen Lande gegenüber obliegt, sondern auch ein Recht,
das ihr die Völkerrechtsordnung der Bevölkerung des besetz-
ten Gebietes gegenüber verleiht. Das Rechtsstatut besetzter
Gebiete beruht auf dem Grundsatz, dass, falls ein Gebiet
einmal besetzt ist, die Landeseinwohner diese Tatsache hin-
zunehmen und sich der Besatzungsmacht gegenüber friedlich
und gehorsam zu verhalten haben. Nur auf diesem Boden ver-
mag sich der Zustand zu entwickeln, den die Völkerrechts-
ordnung, z.B. die HLKO durch ihre einschlägigen Bestimmungen,
einem besetzten Gebiet gewährleisten will. Jede Auflehnung
der Zivilbevölkerung gegen die Besatzungsmacht, jedes At-
tentat gegen ihre Angehörigen, jede Sabotage an ihren Ein-
richtungen stellt eine Verletzung des Völkerrechtsverhält-
nisses dar, das auf Grund der Tatsache der Besetzung zwi-
schen der besetzenden Macht und der Bevölkerung besteht.
1.   Der Besatzungsmacht steht bei diesem Kampf in erster Li-
nie der Strafanspruch gegen den Schuldigen zu, genau wie
auch im Inland und in Friedenszeiten der Rechtsbrecher
Strafe verwirkt hat.

Feuillet 5

                                                                                                                                 113
Ist die Sabotage in dem hier behandelten Zusammenhang
ein Teil der Gesamtauseinandersetzung, eine völkerrechts-
widrige Fortsetzung des Krieges, so ist der Saboteur seinem
Wesen nach Freischärler. Er ist Freischärler auch im Sinne
des deutschen Strafrechts – # 3 der Kriegssonderstrafrechts-
verordnung vom 17.8.1938 (RGB1 1939 I s.1455) –, wenn er
Waffen oder andere Kampfmittel führt oder in seinem Besitz
hat in der Absicht, sie zum Nachteil der deutschen Wehr-
macht zu gebrauchen oder einen ihrer Angehörigen zu töten,
oder sonst Handlungen vornimmt, die nach Kriegsgebrauch nur
von Angehörigen einer bewaffneten Macht in Uniform vorge-
nommen werden dürfen. In zahlreichen Fällen wird die Sabo-
tagehandlung Feindbegünstigung (Landesverrat) im Sinne des
# 91b StGB in Verbindung mit # 1612 MStGB sein; soweit sie
sich propagandistisch gegen die Kampfkraft und innere Wi-
derstandskraft des Besatzungsheeres richtet, wird sie den
Tatbestand der Zersetzung der Wehrkraft im Sinne des # 5
Kriegssonderstrafrechtsverordnung erfüllen. Daneben kamen
im besetzten Frankreich vor allem die später in der Verord-
nung zum Schutz der Besatzungsmacht vom 18.12.1942 (VOBLF.
S.458) zusammengefassten Tatbestände in Betracht, weiterhin
die übrigen Vorschriften des deutschen Strafrechts, insbe-
sondere diejenigen über gemeingefährliche Verbrechen und
Vergehen. Das deutsche Strafrecht fand überall Anwendung,
wo im besetzten Gebiet eine Sabotagehandlung durch die
Wehrmachtgerichte auf Grund des # 3 der Kriegsstrafverfah-
rensordnung vom 17.8.1938 (Reichsgesetzbl. 1939 I S.1457)
abgeurteilt wurde.
2.)   Das Völkerrecht kennt aber über die Bestrafung des Schuldi-
gen hinaus noch weitere, schärfere

(énoncé apparemment interrompu, la pagination « Archive » restant suivie)

Feuillet 6

                                                                                                                                 114

BC - Vorbeugungs- und Sühnemassnahmen im besetzten Frankreich von
August 1941 bis Mai 1942, insbesondere das Geiselverfahren.

I. Allgemeines.
Auch in diesem Zeitraum richtete sich die Reaktion der
Besatzungsmacht auf leichtere Sabotagefälle nach dem Erlass
vom 26.3.1941. Gegenüber dem vorherigen Zeitraum hob sich aber
die nunmehr zu besprechende Zeit durch eine anwachsende Flut
von schweren und schwersten Sabotagefällen ab, denen gegenüber
die in dem genannten Erlass vorgesehenen Massnahmen nicht
mehr ausreichten. Um der Gefahr Herr zu werden, bedurfte es
härterer Massnahmen, die in dem Geiselverfahren und in der
Deportation deutschfeindlicher Elemente gefunden wurden. Nach-
stehend soll nur das Geiselverfahren geschildert werden, ???
                                ?damit der?                         und ihnen ????????
die Deportation???? war beim Militärbefehlshaber die Gruppe V
                   ihre     Mein ?? Durchführung der Deportationen
federführend, die Durchführung ??l?g aber in eigener ???  ??
 ????? in eigener und selbst ???????????Verantwortlichkeit
????????ger Verantwortlichkeit ( dem Beauftragten des Chefs der
Sicherheitspolizei und des SD für Belgien und Frankreich m(it?)
dem Sitz in Paris.
Für die Geiselverfahren war die Abteilung ????? ??????
                                                                                       ?????  
????. ????????????????????????????? Ic und Abt. ????????.
Berichterstattung nach oben und die Auseinandersetzung mit
vorgesetzten Dienststellen lag ausschliesslich in der Hand (der?)
Abt. Ic.
Zu Beginn der Schilderung sei hier gleich auf den wichtig-
sten Erlass hingewiesen, der unter Verwertung der anfänglich ge
machten Erfahrungen die nachgeordneten Dienststellen mit allen
erforderlichen grundsätzlichen Weisungen über das Geiselver-
fahren versah.
Erlass betr. Geiselnahme vom 28.9.41
                   – Az. Verw.  Stab 821.1009.41 g
                      Kdostab Ic (II) Nr. 1647/41 g –                (Anlage 10),

in der Fassung des Erlasses vom 9.12.41
                   – Az. Vju 821.1009.41 g –                          (Anlage 11).

In diesem Erlass sind alle grundsätzlichen Punkte geregelt.



Feuillet 6a

                                                                                                                                 115
Zur Festlegung von Einzelfragen ergingen weiterhin die
folgenden Verfügungen:

Schreiben an den Generalbev. der frz. Reg.
         betr. Geiselnahme vom 19.9.41
                   – Az. Verw.  Stab V ju 821.1728.41
                      Kdostab Ic Nr. 3386/41  –                       (Anlage 12),

Erlass betr. Geiselnahme; hier: Aufforderung
                   an die frz. Behörden zur Bestimmung
                   von Geiseln vom 27.10.41
                   – Az. Vju 821.1929.41  g –                         (Anlage 13),

Erlass betr. Entlassung von Personen, die wegen
                   kommunistischer und anarchistischer
                   Tätigkeit in französischer Haft sind
                    vom 28.10.41
                   – Az. Verw.  Stab 821.1728.41 g
                      Kdostab Ic Nr. 3386/41 g –                     (Anlage 14),

Erlass betr. Entlassung von Personen, die wegen
                   kommunistischer und anarchistischer
                   Tätigkeit in französischer Haft sind
                   vom 27.1.42
                   – Az. V ju 821.1728.41 –
                   Mit Schreiben an den Generalbev. der
                   frz. Reg. vom selben Tag mit demsel-
                   ben Betreff und demselben Aktenzei-
                   chen                                                              (Anlage 15),

Erlass betr. Freigabe der Leichen Erschossener
                   zum Beerdigen usw. vom 26.10.41
                   – Az. V ju 821.1863.41 –                            (Anlage 16),

            Weiterhin ist für die Sabotagebekämpfung von Bedeutung
der Erlass betr. Vorbeugungs- und Sühnemass-
                   nahmen bei Sabotageakten; hier:
                   Aussetzung von Belohnungen  vom
                   22.8.41
                   – Az. V ju 821.1327.41g –                          (Anlage 17),



Feuillet 7

                                                                                                                                 116

1.) Die Lage.
Der entscheidende Umschwung in der inneren Lage in Frank-
reich trat als Folge des Ausbruchs des Krieges zwischen Russ-
land und Deutschland ein. Mit diesem Zeitpunkt begann, sich
von Monat zu Monat steigernd, // der Kampf klar ausgerichteter
organisierter Widerstandsbewegungen /im besetzten Gebiet/ gegen
die Besatzungsmacht, wobei zunächst die kommunistisch einge-
stellten Gruppen den Kampf eröffneten. Zwar hatte die Besat-
                                                                            Verordnung
zungsmacht an dem durch die französische Behörden über die Auflö-
sung der kommunistischen Organisationen vom 27.9.1939 erfolg-
ten Verbot der kommunistischen Betätigung nichts geändert, so-
dass die kommunistische Partei und jede kommunistische Betäti-
gung auch vor dem Juni 1941 illegal war. Der deutsch-russi-
sche Nichtangriffspakt nahm der Kommunistischen Bewegung je-
doch Anlass und Möglichkeit einer offenen deutschfeindlichen
Zielsetzung und Arbeit. Ihre Anstrengungen blieben daher rein
innerpolitisch. Sie galten dem Wiederaufbau der eigenen Orga-
nisation und dem Kampf gegen die Regierung in Vichy.
Noch im Lagebericht für den Zeitraum April/Mai 1941 an
den Oberbefehlshaber des Heeres vom 21.5.1941 – Az. Ia 420/1
gKdos. – hatte der Militärbefehlshaber über die Sabotagehand-
lungen und die sie begünstigende Propaganda melden können:
„Eine einheitlich gesteuerte und organisierte Sabotage konnte
nicht festgestellt werden ….. Ueber die Propaganda aller
Schattierungen ist zu sagen, dass eine einheitliche Planung
und Lenkung nicht erfolgt. Wohl sind hier und da örtliche
Ansätze dazu festgestellt worden, auch dahingehende Richtli-
nien mögen (vor allem bei den Kommunisten) ausgegeben sein;
aber zu einer Durchführung ist es nicht gekommen. Ebenso wie
alle bisher erfolgten deutschfeindlichen Kundgebungen und Ta-
ten sind auch die Propaganda-Erzeugnisse insgesamt durchaus
das Werk von Einzelnen oder einzelnen Gruppen und mehr das
Ergebnis stimmungsmässiger Reaktion als von Planung und Len-
kung. „ Betont wurde jedoch, dass die gegnerische Propaganda
im besetzten Frankreich angesichts der seelisch-geistigen

Feuillet 8

                                                                                                                                 117

Verwahrlosung des französischen Volkes, der Arbeitslosigkeit
und der grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten einen überaus
fruchtbaren Boden finde, auf dem die gaullistische Propaganda
(mm) nicht mit Improvisationen arbeite, ??hrend die kommunistische Propaganda
„ein altes Geschäft mit gelernten Arbeitern“ darstelle. Ab-
schliessend beurteilt der Lagebericht die Situation dahin,
dass infolge des geringen Aktivismus der deutschfeindlichen
Bewegungen die innere Sicherheit des besetzten Gebietes noch
nicht  gefährdet sei.
Auch im Lagebericht für die Zeit Juni/Juli 1941 vom 31.
7.1941 – Az. I a 830/41 gKdos. – also nach dem Eintritt Russ-
lands in den Krieg – konnte der Militärbefehlshaber diese Be-
urteilung noch aufrechterhalten; doch wies er darauf hin,
dass zum ersten Male – zweifellos von kommunistischer Seite –
Anschläge auf Eisenbahnanlagen verübt worden seien.
Der Übergang auf andere Angriffsziele war das äussere
Zeichen dafür, dass die kommunistischen Kräfte aus Dumpfheit
und Schock nach dem Bruch Deutschlands mit Russland wieder er-
wacht waren, dass diese stärkere kommunistische Tätigkeit kei-
ne zufällige, sondern – wie bei der Erfahrung dieser Partei
im Aufziehen unterirdischer Organisation und Aktionen nicht
anders zu erwarten – nunmehr eine planmässige war. Mit dem
Kriegseintritt Russlands hatte der kommunistische Terror nun-
mehr
feste organisatorische Formen gefunden.
Diese Entwicklung, die für die Sicherheit der Besatzungs-
macht von entscheidender Bedeutung war, ist vom Militärbefehls-
haber von Anfang an genau erkannt worden. Die selbstverständli-
che und unvermeidliche Reaktion war die Kampfansage der Besat-
zungsmacht gegen jede kommunistische Betätigung, da bei der
Unüberbrückbarkeit der Gegensätze und der kämpferischen Ein-
stellung der kommunistischen Aktivisten eine versöhnliche
Einstellung Haltung von vornherein aussichtslos erscheinen musste.
Mit Erlass an die nachgeordneten Dienststellen vom 15.8.41
(Kommandostab Abt.Ic Abt.III) hat der Militärbefehlshaber mit
dem Hinweis: „Die Kommunistische Propaganda hat seit mehreren

Feuillet 9

                                                                                                                                 118

Wochen zugenommen, Sabotageakte, vor allem gegen Eisenbahn-
anlagen im Pariser Bezirk, sind die Taten kommunistischer Ak-
tivisten…“ als seine Auffassung bekanntgegeben, dass je-
de kommunistische Betätigung seit Beginn des Russlandkrieges
Feindbegünstigung (# 91b StGB) darstelle, und ersucht, sie
als solche zu verfolgen. Ferner hatte er die Bevölkerung durch
Bekanntmachung vom gleichen Tage (Anlage 1) darüber belehrt,
dass, wer sich kommunistisch betätige, die Todesstrafe, wer
kommunistische Flugblätter nicht abliefere, Zuchthaus bis zu
15 Jahren zu erwarten habe. Ausdrücklich war dabei auch dar-
auf hingewiesen, dass weitere Anschläge nicht nur für die Tä-
ter, sondern auch für die gesamte Bevölkerung ernste Folgen
haben müssten. Gleichzeitig wurde der Polizeipräfekt in Pa-
ris deutscherseits veranlasst, für erfolgreiche Mitwirkung
bei der Verfolgung der Urheber der Eisenbahnattentate eine
Belohnung von einer Million Franken auszuloben. Ausserdem war
die französische Regierung mit Note vom 19.8.41 – V ju 821.
1570/41 Allg. – ersucht worden, die französischen Strafverfol-
gungsbehörden des besetzten Gebietes anzuweisen, Anzeigen,
Vorgänge und Akten aller Art, bei denen es sich um kommuni-
stische Betätigung, kommunistische Propaganda, den Versuch
hierzu oder um sonstige Unterstützung kommunistischer Bestre-
bungen handle, an das nächste Wehrmachtgericht zur weiteren
                                           Denn sollte eine ?Überprüfung?, ??????? ????? eine
Behandlung abzugeben. Die (mm) Aburteilung durch die deutschen
Wehrmachtgerichte sollte damit sichergestellt werden. Die
Massnahme konnte übrigens später nach Schaffung französischer
Sondergerichte zur Aburteilung derartiger Handlungen (
sections

spéciales) bei den Oberlandesgerichten, vgl. das Gesetz vom
14.8.1941, durch die Verfügung vom 25.8.1941 – V ju 821.1570.
41 Allg. – wieder rückgängig gemacht werden. In der Folgezeit
hat die französische Regierung durch die Einrichtung des
Tri-

bunal d’Etat noch schärfere Massnahmen in diesem Kampf er-
griffen (vgl. das Gesetz vom 7.9.1941).

Feuillet 10

                                                                                                                                 119
Dass von deutscher Seite die Lage richtig beurteilt
worden ist, ergibt sich auch aus dem in ihrem ganzen Zusam-
menhang erst später, z.T. in Verbindung mit der Festnahme
und kriegsgerichtlichen Aburteilung grösserer Terroristenban-
den bekannt gewordenen Einzelheiten. (Vgl. insbesondere die
Akten des Gerichts des Kommandanten von Gross-Paris Abt. B in
den Strafsachen gegen Hanlet u.a., Bertone u.a., und Dupont
u.a., St.L.V. Nr. 90/42, Nr. 113/42 und Nr. 5/43). War auch
die kommunistische Partei mit sämtlichen angeschlossenen Or-
ganisationen durch die Verordnung der Französischen Regie-
                                                                                                      Danach bestand
rung vom 27.9.39 aufgelöst worden, bestand sie dennoch
(mm) auch
                                           ???? ??? ???? ein ????? Partei Frankreichs
nach Zerschlagung ihrer äusseren Organisationsformen (mm) unter-
irdisch weiter; an der Spitze stand ein revolutionäres Zen
tralkomitee, das den Wiederaufbau des Parteiapparates leite-
te und neben diesem eine besondere Kampforganisation aufzog,
die sogenannte „
Organisation Spéciale“ (O.S.), die ein Sam-
melbecken der aktivsten Kommunisten bilden sollte und deren
Ziel die Bekämpfung der Besatzungsmacht durch Sabotage jeder
Art, durch Mordanschläge auf ihre Angehörigen, durch Spreng-
stoffanschläge auf ihre Unterkünfte, durch Sabotage in wehr-
machtswichtigen Betrieben, durch Zerstörung kriegswichtiger
Anlagen und Einrichtungen usw., war, daneben auch, soweit
erforderlich, die Bekämpfung der französischen Regierung und
Polizei. Es sollten in möglichst weitem Umfang dadurch deut-
sche Truppen in Frankreich gebunden und am Abtransport nach
dem Osten gehindert werden. Auch für den Fall einer engli-
schen Landung waren Kampfmassnahmen gegen die Besatzungs-
macht vorgesehen. Diese O.S. war gegliedert in Interregionen,
Regionen, Sektionen und – als unterste Einheit – in sogenann-
te Dreiergruppen von je 3 Mann unter einem Führer, auch Par-
tisanengruppen genannt, denen die Durchführung der einzelnen
Sabotagehandlungen zufiel. Die Mitglieder, deren Stamm jeden-
falls in Paris vor allem die in jedem Arrondissement illegal
weiter bestehenden kommunistischen Sportorganisationen ge-
stellt zu haben scheinen, wurden nach sorgfältiger Ueber-
prüfung ihrer kommunistischen Zuverlässigkeit in

Feuillet 11

                                                                                                                                 120

Wochenendzeltlagern im Waffengebrauch, in Geländekunde, Um-
gang mit Sprengstoffen, Anfertigung von Bomben, Materialzer-
störung, in der Anlage von Sabotageakten, in Sanitätsdienst
und Krankenpflege geschult. Ausbildungspersonal stand in den
früheren Rotspanienkämpfern zur Verfügung. Waffen, Spreng-
stoff und sonstiges Gerät wurde aus alten französischen oder
durch Diebstahl aus deutschen Heeresbeständen beschafft. Auch
Frauen und Mädchen sollten eingesetzt werden, die sich an
kommunistisch eingestellte deutsche Wehrmachtangehörige her-
anmachen und Zersetzungsarbeit und Ausspähdienste leisten
sollten. Das Ganze war straff militärisch aufgebaut. Es gab
Vorgesetzte und Untergebene, die ihre Vorgesetzten zum Teil
nur unter Decknamen kannten und Befehle blindlings auszufüh-
ren hatte, Verbindungsleute, Verbindungspunkte, Waffen-, Mu-
nitions- und Sprengstofflager, kurz alles, was zur illegalen
Kriegführung gegen die Besatzungsmacht gehört. Das letzte
Ziel der treibenden Kräfte war der Ausbau der O.S. zur roten
Volksmiliz und mit deren Hilfe die Einrichtung eines Sowjet-
Frankreichs nach der Besiegung Deutschlands durch England
und Russland.

2. Gegenmassnahmen der Besatzungsmacht.
In dem Augenblick, wo erkennbar wird, dass die Sabotage
nicht mehr von Einzelnen, sondern von Gruppen als Träger
eines planmässig geleiteten Widerstandes ausgeht, entsteht
für die Besatzungsmacht eine neue Lage. Der Saboteur als Ein-
zelgänger mag noch so energisch, intelligent, fanatisch sein;
sein Wirken, seine Gefährlichkeit findet an seinen persönli-
chen Fähigkeiten und Fertigkeiten seine Grenzen. Anders bei
planmässig organisierten und geleiteten Gruppen. Durch den
Zusammenschluss wird der Aktionsradius, die Wirkungsmöglich-
keit und damit die Gefährlichkeit des Einzelnen vervielfacht.
Was der eine nicht mitbringt, steuert der andere bei; die
Auswahl der Täter kann der geplanten Tat angepasst, Spezial-
kenntnisse können ausgewertet, alle Vorteile einer planmässi-
gen Arbeitsteilung zur Geltung gebracht, das ganze Arsenal

Feuillet 12

                                                                                                                                 121

moderner Wissenschaft und Technik zum Zwecke des Kampfes
und der Zerstörung eingesetzt werden. So sind zum Beispiel
im besetzten Frankreich zum Zwecke der Eisenbahnsabotage
Streckenarbeiter besonders geworben und eingesetzt worden.
Die Gefährlichkeit der organisierten Sabotage ist ferner
deshalb besonders bedeutsam, weil sie bei ungenügender Gegen-
                                     (sic> letztenendes > letzten Endes)
wirkung letzenendes (sic) zum offenen Widerstand ganzer Bevölkerungs-
teile im besetzten Gebiet, zur sogenannten „Kriegsrebellion“
führen kann. Von dem Augenblick an, in dem organisierte Wi-
derstandsbewegungen sich abzuzeichnen beginnen, wird die Be-
satzungsmacht ihrer ausserordentlichen Gefährlichkeit auch
mit ausserordentlichen Mitteln entgegentreten müssen.
                                           in Frankreich
Der Zeitpunkt, zu dem (mm) diese Notwendigkeit hervortrat,
war der 21.8.1941. Es musste auf dem ganzen oben geschilderten
politischen Hintergrund, wie er sich seit Juli 1941 abge-
zeichnet hatte, wie ein Fanal wirken, dass als an diesem Tage in
 an einem der  ??????testen Verkehrs??????? in
(mm) Paris das erste Attentat auf einen Angehörigen der Besatzungs-
macht mit rein politischer Zielsetzung stattfand. Auf dem We-
ge zum Dienst wurde der Marinehilfsassistent Moser am Morgen
des 21.8.1941 auf der Metro-Station
Barbès Rochechouart von
2 jungen, unerkannt entkommenen Personen durch 2 Pistolen-
schüsse tödlich verwundet. Unterstrichen wurde die Bedeutung
dieser Tat dadurch, dass am Abend des gleichen Tages eben-
falls in Paris bei einem Anschlag, der einem Oberzahlmeister
Trill gelten sollte, der deutsche Uffz. Schötz auf der Metro-
station Bastille von einer unerkannt entkommenen Person ange-
schossen und verwundet wurde. Die Täter waren in beiden Fäl-
len, wie von vornherein mit einer an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit angenommen werden musste, und auch später
in der vom Gericht des Kommandanten von Gross-Paris Abt. B
abgeurteilten Strafsache gegen Hanlet u.a. – St.L.V. Nr. 90/42 –
bestätigtwurde (sic >bestätigt wurde), aktive Kommunisten.

Feuillet 13

                                                                                                                                 122
Der Militärbefehlshaber beschloss daraufhin, das wirk-
samste Mittel einzusetzen, das ihm zur Bekämpfung der Sabo-
tagetätigkeit an die Hand gegeben war: die Geiselnahme. Von
Anfang an sah er das Attentat auf Moser nicht als eine Ein-
zelerscheinung an und richtete deshalb sein Augenmerk weniger
auf die Sühne des Mordfalls als auf eine eindrucksvolle
und ernste letzte Warnung an alle Beteiligten, den einge-
schlagenen Weg aktiven Widerstands nicht fortzusetzen bzw.
nicht zu unterstützen. Trotz lebhafter Vorstellungen seitens
des Kommandierenden Admirals, der als Vorgesetzter des ermor-
deten Moser besonders interessiert war und zur Sühne soforti-
ge Erschiessung von Landeseinwohnern forderte, erklärte der
Militärbefehlshaber nur zahlreiche Landeseinwohner zu Gei-
seln und machte dies der Bevölkerung am 22.8.1941 mit der
Androhung bekannt, dass bei jedem weiteren Anlass eine der
Schwere der Straftat entsprechende Anzahl von Geiseln werde
                   (Wortlaut der Bekanntmachung ??? …)
erschossen werde (mm). Diese Androhung musste in der Folgezeit
häufig in die Tat umgesetzt werden. Im ganzen sind auf Grund
der Bekanntmachung vom 22.8.1941 in 30 Fällen insgesamt
471 Geiseln erschossen worden. Wegen der einzelnen Fälle
                               Abschnitt
vergleiche unten unter Ziff. (mm) II.

3.) Rechtliche Gesichtspunkte.
Die Bekanntmachung vom 22.8.41 mit der Androhung der Erschie-
ssung von Geiseln bei weiteren Sabotageakten hat der Militär-
befehlshaber erlassen, um die Interessen der deutschen Besat-
zungsmacht, die Sicherheit der Truppe und die Belange der
weiteren deutschen Kriegführung im besetzen Frankreich gegen-
über der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Dies war im Rah-
                                                                                          (sic> des ?)
men der Ausübung der vollziehenden Gewalt, der
(sic) dem Reich im
Waffenstillstandsvertrag vorbehaltenen „Rechts der besetzen-
den Macht“, die ihm vom Oberbefehlshaber des Heeres durch
die „Dienstanweisung für den Militärbefehlshaber in

Feuillet 14

                                                                                                                                 123

Frankreich“ vom 18.3.41 (OKH gen St d H/Gen Qu in der Fas-
                                                Nr. II/3133/41)
sung des Erlasses vom 1.4.41 (Az. wie vor) übertragen worden
war, seine vornehmste Aufgabe. Als solche war sie auch in Zif-
fer 1 der „Arbeitsrichtlinien für die Militärverwaltung“ aus-
drücklich bezeichnet; der Militärbefehlshaber war dort ange-
wiesen, „einer Gefährdung dieser Interessen durch die Bevöl-
kerung mit aller Schärfe entgegenzutreten.“ Der Besatzungs-
macht gegenüber war die Bevölkerung nach unbestreitbares
Völkerrecht zu Gehorsam und damit zum Unterlassen jeder feind-
seligen Handlung verpflichtet. Die Geiseln hafteten dem Mi-
litärtbefehlshaber mit Leib und Leben dafür, dass die aufsäs-
sigen Bevölkerungskreise entsprechend dieser Gehorsamspflicht
weitere Anschläge auf die Besatzungsmacht unterliessen. Diese
sollten vor die Wahl gestellt werden, entweder dieser Ver-
pflichtung nachzukommen oder durch weitere Sabotageakte den
Tod der Geiseln zu verantworten. Das Schicksal der Geiseln
war damit in ihre Hand gelegt.
      der Bekanntmachung am 22.8.41
Mit seiner Anordnung hat sich der Militärbefehlshaber
im Rahmen der massgebenden Dienstvorschriften und der für
den Fall der Sabotage besonders erteilten Befehle gehalten.
Ausserdem entsprach das von der Besatzungsmacht in Frank-
reich gehandhabte Geiselverfahren auch dem Kriegsvölker-
recht.
1) Dienstvorschriften und Befehle
1) Die Geiselnahme ist in der deutschen Dienstanwei-
sung für die Einheiten des Kriegsheeres vom 29.6.39 (H.Dv.
g.2) Abschnitt 9 „Verhalten im Kriege“ unter Ziffer 12 als
zulässig vorausgesetzt. Für das besetzte Frankreich ist die
Festnahme von Geiseln in Nr.5 der „Arbeitsrichtlinien für
die Militärverwaltung“ und in Nr.5 der Zusätze zu diesen Ar-
beitsrichtlinien als allerdings wegen nicht immer zuverläs-
siger Wirkung mit Zurückhaltung anzuwendendes Mittel gegen
„Widerstand oder unsichere Haltung der Bevölkerung“ vorge-
sehen. In dem Erlass über Vorbeugungs- und Sühnemassnahmen
bei Sabotageakten vom 26.3.1941 – später in der Fassung vom
                                           Vor ????????? 1941
20.11.1941 – (Anlage 3) (mm) war daher auch (mm) den unterstellten
        dieser ?????????????? ?????? entsprechend war vor ???? ???

Feuillet 15

                                                                                                                                 124

                                                                                          (??????????B)
Dienststellen Zurückhaltung in der Geiselnahme empfohlen worden (mm).
Die Gründe, weshalb der Militärbefehlshaber aus dieser Zu-
rückhaltung heraustreten musste, sind oben dargelegt. Die
alleinige Zuständigkeit des Militärbefehlshabers und der von
ihm etwa ermächtigten Dienststellen seiner Verwaltung zur
vorbeugenden Geiselnahme zur Aufrechterhaltung der Ordnung
und Sicherheit war als Ausfluss der von ihm auszuübenden
vollziehenden Gewalt in dem Erlass des Oberbefehlshaber des
Heeres über die Abgrenzung der Befugnisse zwischen der Trup-
pe und den Dienststellen der Militärbefehlshaber vom 9.10.40
(OKH/Gen StdH/Gen Qu) unter I Ziffer 6 ausdrücklich festge-
Nr. 15645/40 2.Ang.
legt.
Darüber, in welchem Umfange die Geiseln haftbar gemacht
werden durften, wie mit ihnen verfahren werden sollte, wenn
die Folgen eintraten, die durch die Geiselnahme gerade ver-
hütet werden sollten, also über die Folgen des sogenannten
Geiselverfalls, war in den deutschen Vorschriften unmittel-
bar nichts gesagt; doch führt das Werk von Vanselow „Praxis
des Völkerrechts“, das durch Verfügung des Chefs der Marine-
leitung vom 14.7.31 A 222 901 dem Kreuzerhandbuch als Anhang
heigegeben (sic>herg-) und damit in der deutschen Marine amtlich einge-
führt ist, in Ziffer 202a aus: „Der Geisel bürgt mit seinem
Leben…. Darf man Geiseln töten, wenn ihre Bürgschaft sich
unwirksam zeigt? .... Nun ist im Kriege alles Kriegsnotwen-
dige erlaubt, sofern es nicht ausdrücklich verboten ist.
Wenn die Geiselnahme erlaubt ist, darf die Haftung des Bür-
gen nicht aus Humanitätsgründen illusorisch gemacht werden.
Will man dies, so muss die Geiselnahme überhaupt abgeschafft
werden.“
Die vom Militärbefehlshaber auf Grund der Entwicklung
der Lage im besetzten Frankreich angedrohte und durchgeführ-
te Erschiessung von Geiseln ist durch die Führerbemerkung
vom 7.9.41 zur ersten Geiselerschiessung vom 3.9.41 (OKH
GenStb/Gen Qu II 1406 gK, (Anlage 5) ausdrücklich gebilligt
und später durch die Richtlinien des Chefs des Oberkommandos

Feuillet 16

                                                                                                                                 125

der Wehrmacht zur Bekämpfung der kommunistischen Aufstands-
bewegung in den besetzten Gebieten vom 16.9.41 (WEST/Abt.I.
                                                                                          Nr. 002060/41
(IV/Qu
gKdos.) allgemein befohlen worden (Anlage 5a).
2) Das Völkerrecht
2) Ist das im besetzten Frankreich eingeschlagene Gei-
selverfahren auch völkerrechtlich zulässig? Wenn dies hier
untersucht wird, so geschieht es nicht aus Gründen der
Rechtfertigung, noch weniger zur Nachprüfung der Anordnungen
vorgesetzter Dienststellen, sondern allein, um der Propagan-
da in den feindlichen und zum Teil auch neutralen Ländern
entgegenzutreten, die dieses propagandistisch dankbare, auf
Nichtkombattanten und den Erfordernissen der Kriegführung
Fernstehende bei geschickter Verkehrung des wahren Sachver-
haltes leicht wirkende Thema in den verschiedensten Tönen
variiert, die Geiselerschiessungen als Rückfall in finster-
ste Barbarei, als die Ermordung Unschuldiger aufgemacht
und den Militärbefehlshaber als „
boucher de Stülpnagel“,

„boucher d’otages“ usw. bezeichnet hat.
a) die Geiselnahme
Die Haager Landkriegsordnung schweigt über die Geisel.
                                      nahme
Dies steht dem Geiselverfahren nicht entgegen, da die HLKO
keineswegs ein vollständig kodifiziertes Landrecht darstellt.
Aus Art. 46 (Schutz der Grundrechte) und Art. 50 (Kollektivstra-
fen) kann gegen ihre Zulässigkeit nichts entnommen werden,
denn diese Bestimmungen wollten, wie die Entstehungsgeschich-
te zeigt, zu dieser Frage keine Stellung nehmen; Art. 50
sollte überdies nur gelten „
sans rien préjuger aux répres-

sailles“. Tatsache ist, dass die Geiselnahme bis in die neu
este Zeit ständig geübt worden ist, in sämtlichen europäi-
schen Kriegen des XIX. Jahrhunderts, auch von den deutschen
Besatzungsbehörden im besetzten Frankreich 1870/71, von
allen kriegführenden Grossmächten im Weltkrieg 1914/18, von
Franzosen und Belgiern im besetzten Rheinland und Ruhrgebiet
(vgl. hierzu Volkmer „Entwicklung und heutige Bedeutung der
Geiselschaft“ 1926, S.181), im gegenwärtigen Kriege nach

Feuillet 17

                                                                                                                                 126

zuverlässigen Pressenachrichten von den Engländern in Iran
(Anlage 7), ferner nach einer Meldung des „
Popolo di Roma
vom 17.12.42 von den anglo-amerikanischen Besatzungsbehörden
in Nordafrika (Anlage 8). Napoleon bezeichnet die Geiselnahme
als „
un des moyens les plus puissants“ der Besatzungsmacht.
Dazu sei notwendig, dass die Geiseln in grosser Zahl aus dem
Kreis massgeblicher Persönlichkeiten genommen würden und
dass die Bevölkerung überzeugt sein müsse, dass der Tod der
Geiseln die unmittelbare Folge des Bruches der Loyalität sei.
Es handelt sich hier aber nicht nur um eine tatsächliche
Uebung; diese Uebung ist vielmehr auch von der Ueberzeugung
getragen, dass sie rechtens sei. Die Geiselnahme ist durch-
        (> durchwegs?)
weg (sic) in den Heeresdienstvorschriften der Grossmächte teils
vorausgesetzt, teils geregelt. Als völkerrechtsmässiges
Kriegsmittel ist sie u.a. behandelt in der Heeresdienstvor-
schrift „
Rules of Land Warfare“, herausgegeben von War Depar
tement der USA, unter Nr. 387, im „
Manuel of Military Law“ des
englischen Heeres ## 461 bis 464, ferner in der französischen
Felddienstordnung für die Kavallerie von 1924, Kap. V Ziff. 116,
die bei der Besetzung feindlichen Gebietes „
Procéder au dé-

sarmement méthodique de la population civile, prendre des
otages…“ vorsieht, ebenso im Règlement de l’infanterie,
Teil III, von 1940, Kap. VI, wo der Kommandeur der besetzen-
den Truppen ermächtigt wird: „
Prendre des otages, si l’atti-

tude de la population est hostile….“. Die Einschränkung
des Geiselnehmens in den „
Lois de la guerre continentale
von Jacomet ist damit überholt.
Diese Aufnahme in die Dienstvorschriften der massgeben-
den Grossmächte entzieht diesen nicht nur das Recht die von
ihren Gegnern geübte Geiselnahme anzugreifen, sondern be-
weist darüber hinaus in Verbindung mit der angeführten allge-
meinen Uebung, dass die Geiselnahme ein von Rechtsüberzeugung
getragener Kriegsgebrauch, ein Institut des Völkergewohnheits-
rechts im Kriege ist.

Feuillet 25 (manquent les feuillets 18 à 24)

                                                                                                                                 127
4.) Grundzüge des Geiselverfahrens
a) Die Geiselnahme:
Der überkommene Geiselbegriff hat sich auf dem Boden der
bisher üblichen Kriege entwickelt, in denen sich Staaten
bekämpften und für jeden Landeseinwohner die Stellung
klar war: er stand auf der Seite seines Staates, auf der
anderen Seite stand der feindliche Staat und ebenfalls
als seine Feinde die Angehörigen dieses Staates. War ein
Gebiet besetzt, so wurden natürlich Angriffshandlungen
von Zivilpersonen gegen die Besatzungsmacht schon früher
nur von aktivistischen Teilen der Einwohnerschaft began-
gen, sie begingen sie aber im Rahmen der gesamten Ausein-
andersetzung zwischen Staat und Staat und zwischen Volk
und Volk; sie handelten, wenn auch vielleicht nicht mit
Willen der Staatsführung so doch in der Linie der offi-
ziellen Politik ihres Landes. In Frankreich waren die
Verhältnisse nach Beendigung des Feldzuges anders. Das
Deutsche Reich befand sich zwar mit Frankreich noch im
Kriegszustand, doch war ein Waffenstillstand geschlos-
sen worden. In diesem hatte sich die französische Regie-
rung nicht nur verpflichtet, keine feindseligen Handlung-
gen gegen das Deutsche Reich zu unternehmen oder zu dul-
                        auch
den; es hatte ganz loyale Mitarbeit der französischen Be-
hörden im besetzten Gebiet versprochen. Diese Zusage war
in grossen Zügen eingehalten worden. Selbstverständlich
ergab sich häufig ein Gegensatz zwischen den Besatzungs-
behörden auf der einen, der französischen Regierung und
den französischen Behörden auf der anderen Seite, da die
Franzosen den Anforderungen der Besatzungsmacht gegenüber
nicht nur naturgemäss sondern auch pflichtgemäss die
französischen Interessen zu wahren versuchten. Aber dar-
über hinausgehend sind im allgemeinen zum mindesten in
der ersten Besatzungsperiode Anzeichen eines passiven

Feuillet 26

                                                                                                                                 128
Widerstandes der französischen Regierung oder der französi-
schen Behörden aus feindseliger Gesinnung heraus nur spär-
lich hervorgetreten. Im grossen und ganzen arbeiteten die
französische Regierung und die französischen Behörden mit
der Besatzungsmacht zusammen. Sabotagehandlungen gegen diese
standen somit in Widerstreit nicht nur mit der offiziellen
französischen Politik, sondern auch mit der Zielsetzung der
führenden französischen Stellen in der Zentrale und in der
Provinz. Ja, der Kampf der Saboteure richtete sich von An-
fang an nicht nur gegen die Besatzungsmacht, sondern auch
gegen die Nationalpolitik der französischen Regierung und
der französischen Behörden. Dies trat bald in einer nicht


                                                                         Collaborationisten
abreissenden Kette von Attentaten gegen Nationalisten aller
Art besonders eindeutlich hervor.
Unter diesen Umständen konnte von vornherein die früher
übliche Geiselnahme aus Kreisen der führenden offiziellen
Persönlichkeiten, z.B. aus den Präfekten, den Bürgermeistern,
überhaupt aus der Beamtenschaft nicht in Erwägung gezogen
werden. Das hätte nur zu einer Verbitterung gerade der Krei-
se geführt, die mit der Besatzungsmacht zusammen arbeiteten,
und überdies auf die Attentäter keinerlei abschreckende Wir-
kung ausgeübt, sie im Gegenteil zu Attentaten nur ermuntert,
denn               hätten sie
da sie damit ja (mm) erreichent konnten, dass Personen, die sie
ablehnten oder gar bekämpften, deren Schicksal und Leben ih-
nen jedenfalls nicht am Herzen lag, für die Anschläge hätten
büssen müssen. Aus demselben Grund schieden auch die sonst
früher als Geiseln verwendeten Persönlichkeiten, Aerzte,
Rechtsanwälte, überhaupt angesehene Bürger und „Notabeln“
aus. Auch deren Schicksal wäre den dem bürgerlichen Leben
fern stehenden Attentätern gleichgültig gewesen. Sollte die
                               ???? nicht Notabeln, es mussten viel ??ter
Geiselnahme wirksam sein, so mussten (mm) Menschen genommen wer-
den, die den vermutlichen Täterkreisen ideologisch nahestan-
den. Nur so konnte erwartet werden, dass die Drohung, das
Leben der Vergeiselten werde im Falle von Attentaten in An-
spruch genommen werden, abschreckend wirken werde.

Feuillet 27

                                                                                                                                 129

Eines stand fest: die Attentäter und Saboteure handelten
aus Deutschfeindlichkeit. Somit war die wichtigste Vorausset-
zung, dass auch die Geiseln deutschfeindlich eingestellt sein
mussten. Der Militärbefehlshaber entschloss sich aus diesem
Grund dazu, alle von und für die deutschen Dienststellen
in Haft gehaltenen Personen zu Geiseln zu erklären und eröff-
nete dies der französischen Bevölkerung am 22.8.1941 in der
oben Seite /3 erwähnten Bekanntmachung. Damit war eine gros-
se Anzahl – mehrere Tausend – von Personen erfasst, deren
deutschfeindlich Einstellung erwiesen war. Selbstverständlich
waren unter den von oder für deutsche Dienststellen in Haft
gehaltenen Personen auch solche, auf die diese Voraussetzung
nicht zutraf, z.B. solche, die sich nur gegen Ordnungsvor-
schriften der Besatzungsmacht vergangen hatten. Diese konnten
aber für die Bestimmung derer, auf die tatsächlich im Einzel-
fall zurückzugreifen war, unschwer ausgeschieden werden. Ihre
Haftung, die sie, da sie doch anderer Gründe wegen ihrer Frei-
heit beraubt waren, nicht belastete, wurde also niemals akut.
Die Erkenntnis, dass die kommunistische Bewegung von Anfang
an treibend und beherrschend hinter den Attentätern stand,
liess den Rückgriff auf Kommunisten besonders wirksam erschei-
nen. Es zeigte sich aber bald, dass deren aktive Elemente,
soweit sie dingfest gemacht waren, sich zum grossen Teil
nicht in deutscher, sondern in französischer Haft befanden,
und zwar in eigenständiger französischer Haft, sodass sie
also auch nicht von den Franzosen für deutsche Dienststellen
in Haft gehalten wurden. Da damit der Zugriff auf diese be-
sonders geeigneten Personen nicht möglich war, wurde in
einem Schreiben an die Generaldelegation der französischen
Regierung vom 19.9. bestimmt, dass von diesem Tage ab alle
männlichen Franzosen, die sich wegen kommunistischer oder
anarchistischer Betätigung in Haft irgendeiner Art bei fran-
zösischen Dienststellen befanden oder noch in Haft genommen
würden, von den französischen Dienststellen gleichzeitig

Feuillet 28

                                                                                                                                 130
auch für den Militärbefehlshaber in Haft zu halten seien. Da-
mit unterfielen sie der Bekanntmachung vom 22.8. und hafteten
als Geiseln.
Die geschilderte summarische Geiselnahme hatte den gros-
sen Vorteil, dass es auf der einen Seite wohl keinen Atten-
täter gab, der nicht mit seiner Tat das Leben eines ihm in-
nerlich Verbundenen auf das Spiel setzte, und dass auf der
anderen Seite jede Geiselnahme aus der freien Bevölkerung
vermieden wurde, die nur zur Beunruhigung der Gutwilligen ge-
führt hätte. Mit der Massnahme des Militärbefehlshabers ist
die gGedankenrein verwirklicht worden, dass die Geiselnahme nur eine reine
Sicherheitsmassnahme darstellt, die dem von ihr Betroffenen
möglichst wenig Nachteile bieten soll, und dass es ausschliess-
lich und allein von der freien Bevölkerung abhängt, ob den
Vergeiselten ein Leid zugefügt werden muss oder nicht. Auf
jeden Fall ist aber ausdrücklich zu betonen, dass die beson-
dere Wendung, die der Militärbefehlshaber auf Grund der be-
sonderen Lage im besetzten Frankreich dem Geiselverfahren ge-
geben hat, nicht bedeutet, dass die Grundlagen des überkomme-
nen Geiselbegriffs verlassen wurden. Die Häftlinge waren wirk-
liche Geiseln, d.h. sie hafteten der Androhung gemäss für
fremde Schuld und nicht für ihre eigenen Taten, die nie, so-
weit sie Strafgefangene waren, durch Abbüssung der Strafe
sühnten und für die sie, soweit sie Untersuchungsgefangene
waren, ganz unabhängig von ihrer Vergeiselung zur Rechen-
schaft gezogen wurden.


b) Entscheidung über den Geiselfall und über die Zahl der zu
erschiessenden Geiseln.
Die Entscheidung, ob für einen vorgekommenen Sabogagefall
Geiseln zu erschiessen waren, hat sich der Militärbefehlshaber
selbst vorbehalten. Er hat hierbei die Richtlinie ver-
volgt, dass nur in den schwersten Fällen auf die Geiselhaftung
zurückgegriffen sei. Als solche schwersten Fälle wurden nur
Anschläge angesehen, die sich gegen das Leben von Angehörigen

Feuillet 29

                                                                                                                                 131
der Besatzungsmacht richteten und nur dann, wenn sich aus
dem gesamten Tatbestand einwandfrei ergab, dass es sich um
politische Täten handelte. Weiterhin war Voraussetzung für
die Geiselerschiessung, dass der Täter nicht gefasst war.
Nach Ergreifung des Täters sind in keinem Falle Geiseln er-
schossen worden.
Auch die Frage, wie viele Geiseln im Einzelfall zu
erschiessen
bestimmen seien, war nicht der Entscheidung der nachgeordneten
Dienststellen überlassen. Die Zahl wurde vielmehr jedes Mal vom
                                  festzusetzen
Militärbefehlshaber entschieden. Massgebend war die Schwere
des Anschlags und seine Folgen, ausserdem wurde in Betracht
gezogen, ob es sich um Wiederholungen in demselben Gebiet
handelte, oder ob das Gebiet sich ruhig verhalten hatte.
Im übrigen ist hierzu festzustellen, dass der Militärbe-
fehlshaber diese Fragen sehr bald nicht mehr frei entschei-
den konnte, dass er vielmehr aufs engste an die Weisungen sei-
ner vorgesetzten Dienststellen gebunden war. Hierüber ist
später unter Ziffer 5 zu reden.
c) Die Geiselauswahl.
Abgesehen von 2 Fällen, in denen die Bezirkschefs er-
mächtigt wurden, die Auswahl der Geiseln nach den Richtli-
nien des Militärbefehlshabers selbständig zu treffen, hat
sich des Militärbefehlshaber die letzte Auswahl derer, die
für einen Sabotagefall zu erschiessen waren, vorbehalten. Zur
Vorbereitung seiner Entscheidung hatten die Bezirkschefs
Geisellisten vorzulegen. Die Verantwortung für die Richtig-
keit der in ihnen enthaltenen Angaben traf die Bezirkschefs.
Für die Auswahl der auf die Geisellisten zu setzenden Perso-
nen wurden den nachgeordneten Dienststellen eingehende
Richtlinien gegeben. Vergl. Ziff. VI des Erlasses vom 28.9.41
(Anl. 10). Zunächst erfolgte der allgemeine Hinweis, „dass
die abschreckende Wirkung der Erschiessung von Geiseln auf
die Attentäter selbst und diejenigen Personen die in Frank-
reich oder im Ausland als Auftraggeber oder durch ihre Pro-
paganda die geistige Verantwortung für Terror- und

Feuillet 30

                                                                                                                                 132

Sabotagehandlungen tragen, umso grösser ist, je mehr be-
kannte Personen erschossen werden; erfahrungsgemäss nehmen
                                           politischen
die Auftraggeber und diejenigen Kreise, die an den Attenta-
ten ein Interesse haben, auf das Leben kleinerer Mitläufer
keinen, auf das Leben ihnen bekannter ehemaliger Funktionäre
dagegen eher Rücksicht.“
Als genaue Anhaltspunkte für die zweckmässigerweise
zur Erschiessung Vorzuschlagenden wurde dann den nachgeord-
neten Dienststellen folgendes bekanntgegeben:
a)         Ehemalige Abgeordnete und Funktionäre kommunistischer
oder anarchistischer Organisationen,
b)         Personen, die sich durch die Verbreitung kommunistischen
Gedankenguts, durch Wort oder Schrift (Herstellung von
Flugblättern) eingesetzt haben (Intellektuelle),
c)         Personen, die durch ihr Verhalten (z.B. Ueberfälle auf
Wehrmachtangehörige, Sabotageakte, Waffenbesitz) ihre
besondere Gefährlichkeit dargetan haben,
d)         Personen, die bei der Verteilung von Flugblättern mitgewirkt
haben,
e)         Personen, die in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit Terror-
und Sabotagehandlungen wegen ihrer Beziehungen zum vermut
lichen Täterkreis festgenommen wurden.

Weiterhin wurden die nachgeordneten Dienststellen ange-
wiesen, neben derartigen Geisellisten für Kommunisten und
                                                                                          ??????
Anarchisten auch solche für de Gaullisten als dem ganz (mm) gros-
sen Kreis der gegen die Besatzungsmacht eingestellten Landes-
einwohner aufzustellen. Ein planmässiger, grundsätzlicher
Rückgriff auf de Gaullisten als solcher ist aber in dieser
Regel nicht erfolgt, weil sich mehr und mehr herausstellte,
dass die Attentate entgegen der ursprünglichen Vermutung
offensichtlich vom De Gaullismus nicht ins Werk gesetzt wur-
den. Soweit Angehörige dieser Bewegung als Geiseln erschossen
wurden, geschah dies nur, wenn sie sich durch besatzungs-
feindliche Taten (Feindbegünstigung, Waffenbesitz, Beziehun-
gen zum feindlichen Nachrichtendienst und dergl.) als aktive
Besatzungsgegner oder sonst besonders gefährlich erwiesen
hatten. Als durch ein schwerwiegendes Attentat auf einen



Feuillet 31

                                                                                                                                 133

Truppentransport bei Caen am 16.4.42 (vergl. unten Abschnitt II,
Ziff. 19) der Gedanke auftrat, die Saboteure könnten sich von
der bisher beobachteten rein politischen Zielsetzung ent-
fernen, und ihr Betätigungsfeld auf die militärische Ebene
verlagern, wurde die Frage: Heranziehung von de Gaullisten
als die den Trägern des eigentlichen militärischen Widerstands-
willens erneut erörtert. Als Richtlinie wurde festgesetzt,
dass bei Anschlägen, die nennenswerte militärische Schäden
verursachen, künftig auch de Gaullisten als Geiseln herange-
zogen werden sollten. Doch war Voraussetzung in jedem Falle,
dass die Verbundenheit mit dem de Gaullismus gerichtlich
festgestellt sei. Zu einer wesentlichen Aenderung der Praxis
hat das in der Folgezeit nicht geführt.
Je mehr sich die starke Beteiligung jüdischer Elemente
an den Anschlägen herausstellte, fand auch ein Rückgriff auf
Juden statt. Auch unter diesen wurden jedoch grundsätzlich
nur solche ausgewählt, denen deutschfeindliche, insbesondere
kommunistische Tätigkeit nachgewiesen war.
Auch sonst versuchte der Militärbefehlshaber, die Aus-
wahl der Geiseln immer wieder mit dem aus den Untersuchungsergeb-
nissen sich abzeichnenden Täterkreis abzustimmen. So erfolgte
z.B., falls sich stärkere Beteiligung jugendlicher Kommuni-
sten an den Attentaten herausstellte, auch ein stärkerer
Rückgriff auf derartige Häftlinge.
Die Schwierigkeiten, die sich einer genauen und den
Richtlinien entsprechenden Auswahl der Geiseln im Einzelfal-
le entgegenstellten, dürfen nicht unterschätzt werden. Der
Militärbefehlshaber musste sich auf die Beurteilung seiner
nachgeordneten Dienststellen, diese mussten sich vielfach
wiederum auf die Beurteilung anderer, auch auf die französi-
scher Behörden verlassen. Dennoch sind Missgriffe offensicht-
lich vermieden worden, abgesehen von einigen Erschiessungen

Feuillet 32

                                                                                                                                 134
        (unten Abschnitt II, Ziff. 5)
für den Fall Nantes (mm), die der Militärbefehlshaber nicht ange-‚
ordnet hätte, wenn er den Grad der Belastung der Betreffen-
den voll hätte übersehen können. Er hatte sich wie immer auf
die Angaben der Abwehrstelle Angers verlassen, dass es sich
um geeignete Häftlinge handle. Eine Ueberprüfung im Einzel-
nen war insbesondere deshalb nicht möglich, weil zu dieser
Zeit noch besonderer Wert auf eine sofort erfolgende Gegen-
wirkung gegen die Anschläge gelegt wurde. Später wurden,
gerade um ähnliche Missgriffe zu vermeiden, die Fristen nicht
mehr so knapp bemessen. Die Abwehrstelle Angers trägt also
weiterhin materiell die Verantwortung für die Fehlgriffe bei den Er-
schiessungen für den Fall Nantes. Immerhin waren auch die-
se Personen im deutschfeindlichen Sinne hervorgetreten,
sodass die sehr energischen Vorstellungen des französischen
Innenministeriums vom 4.11.1941 (Akten bei Kommandostab I C
B 2e) zweifellos über das Ziel hinausschossen.
Im Einzelnen ist zu den französischen Ausführungen fol-
gendes zu bemerken:
1)     Die in der der Note beigefügten Liste genannten JOST,
Louis, FOURNY, Alexandre, BLOT, Jean Joseph,
BLOUIN, Auguste, BIRIEN, Paul waren vom deut
schen Wehrmachtgericht wegen Feindbegünstigung zu mehrjäh-
rigen Zuchthausstrafen verurteilt worden und verbüssten zur
Zeit der Erschiessung diese Strafe. Die Behauptung in der
Note, dass auf Grund „von 7 Eingaben des Generaldelegierten
der französischen Regierung ein Strafverkürzung in Aussicht
genommen gewesen sei“, entbehrt der Grundlage. Nach der
damaligen Praxis kam bei Feindbegünstigung eine gnadenweise
Minderung der Freiheitsstrafe nicht in Frage.
2)       Bei einem weiteren Erschossenen ALLANO be-
merkt die Note selbst, dass dieser wegen eines Angriffs auf
einen deutschen Soldaten zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jah-
ren verurteilt war.

Feuillet 33

                                                                                                                                  135
3)       Von einem Mann (Creuze) wird in der Note be-
hauptet, er sei vom deutschen Kriegsgericht von der Anklage
der Feindbegünstigung freigesprochen worden. Hierzu hat der
Leiter der Abwehrstelle Angers in einem Bericht vom 12.11.41
– Az. Br. B. Nr. 2840/1141 geh. III F) folgendes bemerkt (der
Bericht befindet sich bei den Akten Kdostab Ic B 2e):
„ 1) Frédéric Creuze hat eingestandenermassen bei
der französischen Krankenschwester Frau de Puy Quinque-
rau verkehrt und dort andere verdächtige Personen ken-
nengelernt. Frau de Puy war hier von zwei Seiten ganz
unabhängig als im englischen Nachrichtendienst stehend
gemeldet worden, bevor ihre Verbindung mit Creuze hier
bekannt wurde. Bei Creuze ist z.Zt. ein Code gefunden
worden, den er zugestandenermassen auch seinen Freunden
Dabat und de Mondragon, sowie Frau de Puy gegeben hät-
te. In einem ebenfalls gefundenen weiteren Code des
Creuze ist auch Frau de Puy erwähnt.
        Da trotz der von Abwehrstelle Angers und der GFP
beschafften Unterlagen das Gericht glaubte nicht zu
einer Verurteilung kommen zu können, wurde gegen Creuze
Schutzhaft verhängt, weil die Gefahr bestand, dass er
bei seiner deutschfeindlichen Einstellung und auf Grund
der von der Abwehr gegen ihn beschafften Unterlagen für
die deutsche Wehrmacht sehr gefährlich werden könnte.“

4)       Von den Studenten Gloux, Grolleau und Dabat wird in
der Note behauptet, dass sie nur wegen Briefschmuggels zu
einer geringen Freiheitsstrafe verurteilt gewesen seien und
dass diese Strafen z.Zt. der Erschiessung bereits verbüsst
waren. Hierzu wird in dem angeführten Bericht des Leiters der
Abwehrstelle Angers ausgeführt:
„ 2) Gloux, Grolleau und Dabat haben nur den Schmuggel von
Briefen ins unbesetzte Frankreich eingestanden. Darü-
ber hinaus haben sie mit den unter 1) genannten Mon-
dragon und Frau de Puy in Verbindung gestanden. Auch

Feuillet 34

                                                                                                                                 136

für diese Personen wurde daher seitens des Herrn
Militärbefehlshabers Frankreich Schutzhaft verfügt, weil
die Gefahr bestand, dass sie sich weiter zum Nachteil der
deutschen Wehrmacht betätigen würden, nachdem sie drin-
gend verdächtigt waren, für feindliche Mächte gearbeitet
zu haben.“
5) Bezüglich eines gewissen Pliattiau wird in der Note
selbst hervorgehoben, dass es sich um eine zwar nicht abgeur-
teilte Person, aber um jemand gehandelt habe, der in dringen-
dem Verdacht stand, nicht nur für den deutschen, sondern
gleichzeitig auch für den feindlichen Nachrichtendienst zu
arbeiten. Ueber ihn war aus diesen Gründen seitens des Mili-
tärbefehlshabers Schutzhaft verhängt worden.
6) Wie es in Wirklichkeit um die Beschuldigungen gegen
die in der Note genannten Caldecotte, Hevin
und Labrosse stand, von denen die Note behauptet,
das deutsche Kriegsgericht habe den gegen sie bestehenden Ver-
dacht der Feindbegünstigung für nicht ausreichend gehalten
(Hinstellung des Verfahrens), ergibt sich aus der nachstehen-
den Aeusserung des Leiters der Abwehrstelle Angers, die sich
ebenfalls in dem obengenannten Bericht vom 12.11.41 findet:
„CALDECOTTE, HEVIN und LABROSSE standen in Verbindung mit
dem nach seiner Festnahme aus dem Gefängnis in Nantes ent-
flohenen, im englischen Dienst stehenden Veper.
V. hat Sprengstofftransporte zusammen mit einem glaubhaften
Gewährsmann der Ast Angers durchgeführt, bei denen die
drei Vorgenannten mitgeholfen haben. Da V. aus dem Gefäng-
nis in Nantes entkam, konnten die Ermittlungen gegen die
drei vorgenannten Leute nicht beweiskräftig zu Ende ge-
führt werden, so dass das Gericht aus Mangel an Beweisen
zu einem Freispruch kam. Die französische Angabe, dass die-
se Leute als unschuldig erkannt seien, ist nicht wahr.

Feuillet 35

                                                                                                                                 137
Der vorgenannte Veper konnte bisher nicht ergriffen
worden, da er immer wieder bei der französischen Be-
völkerung Hilfe findet. Gegen Caldecotte, Hevin und
Labrosse wurde vom Herrn Militärbefehlshaber Frankreich
Schutzhaft verhängt, weil die Gefahr bestand, dass sie
bei ihrer deutschfeindlichen Einstellung ihre durch die
Vernehmungen erworbenen Kenntnisse der deutschen Ab-
wehrorgane im deutschfeindlichen Sinn weiter ausnützen
könnten.“
Für die richtige Beurteilung des Hinweises der französi-
schen Regierung, dass es sich bei des erschossenen zum Teil
um Personen gehandelt habe, denen von deutschen Gerichten
keine Straftat nachgewiesen wurde, ist wesentlich, dass es
Leute waren, die für den feindlichen Nachrichtendienst gearbei-
beteten haben. Es ist allgemein bekannt, dass die Polizei- und Abwehr-
behörden gegen solche Personen oft wesentlich stärkeres Be-
weismaterial in Händen haben, als dem Gericht für eine Abur-
teilung zur Verfügung gestellt werden kann; denn häufig müs-
sen die Abwehrstellen wegen der Fortsetzung ihrer Arbeit dar-
auf verzichten, dem Gericht die zur letzten Ueberführung der
Beschuldigten notwendigen Zeugen zur Verfügung zu stellen, da
durch eine gerichtliche Herausstellung dieser Zeugen (V-Leute)
unter Umständen deren weiters Tätigkeit gefährdet oder unmög-
lich gemacht werden kann. Es muss daher in solchen Fällen in
Kauf genommen werden, dass das Gericht zu einer Einstellung des
Verfahrens oder gar zu einem Freispruch kommt, obwohl in Wirk-
lichkeit bei den Abwehrbehörden genügend Beweismaterial zur
Ueberführung vorhanden wäre (vgl. hierzu auch den Bericht der
ALSt Frankreich Referat III g vom 28.11.41 „Vortragsnotiz
für Chef Amt Ausl./Abw.“ in den Akten Kdostab Ic B 2e).
Noch in einem weiteren Fall hat die französische Regie-
rung Vorstellungen wegen der Heranziehung eines Landeseinwohner
zur Exekution als Geisel erhoben. In einer Verbalnote vom
18.4.42 teilt sie mit, dass der am 21.2.1942 für das Attentat

Feuillet 36

                                                                                                                                 138

                   Abschnitt
in Rouen (vgl. unten (mm) II Ziff. 11) als Geisel erschossene André
Cajelot zwar zur Zeit der Tat in deutscher Haft gewesen sei,
im übrigen aber nicht den Bedingungen entsprochen habe, die
die Besatzungsmacht sonst für als Geisel zu erschiessende
Personen einhalte. Der Protest ist mündlich durch den Verbin-
dungsoffizier zur französischen Regierung zurückgewiesen wor-
den. C. war wegen Schmuggels von Kriegsgefangenen über die Dema-
Linie zunächst zum Tode verurteilt, denn aber vom Führer zu
lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Hatte er durch
die Tat bereits seine Gefährlichkeit für die Besatzungsmacht
                                                                                          ???
erwiesen, so liess sich dieses doch erst dadurch (mm) seiner Heran-
ziehung als Geisel bestimmen, dass C. schwer syphilitisch
und aktiv Hhomosexueller war. Die Tatsache seiner Syphiliser-
krankung war bei der Entscheidung der Gnadenfrage nicht be-
kannt gewesen. Das OKH hatte daher mit Schreiben vom 8.2.1941
(Az. Gruppe Rechtsw. Nr. 157/42) ausdrücklich gebilligt, dass
er vor auf der Geiselliste verbleibe.
Im übrigen hat der Militärbefehlshaber im allgemeinen
grundsätzlich daran festgehalten, dass als einzige nach aussen
bekanntgegebene Voraussetzung für die Heranziehung als Geisel
die Tatsache sei, dass der Betreffende sich z.Zt. des Atten-
tats bereits in Haft befand. Die weiteren Richtlinien (Vorbe-
lastungen usw.) waren nur intern verbindlich. Ihre (mm) Nichteinhaltung
berührte die völkerrechtlich Zulässigkeit von getroffenen
Massnahmen nicht. So hat es der Militärbefehlshaber auch immer
abgelehnt, mit der französisch Regierung über diese Fragen
zu verhandeln.
Im übrigen wurde, soweit irgend mit dem Zweck des Ver-
fahrens vereinbar, menschliche Rücksicht genommen; auf Frau-
en, Kinder, Blinde und körperlich schwer Behinderte wurde
grundsätzlich nicht zurückgegriffen, ebenso möglichst nicht
(mm)
auf körperlich schwer Behinderte.   ??????????????unter den?????????
??????????????ein kaum/Mann mit uns?????????????????????? beim
??????, der ?????????? die ????????????? hat ???????????????? auf ?????????

Feuillet 37

                                                                                                                                 139

            wieder ???? ???????? ???? ????????
aAuf Kinderreiche (mm). Personen zwischen 18 und 21 Jahren kamen
für die Geiselerschiessung nur dann in Betracht, wenn sich
herausstellte, dass auch die Attentäter jugendlichen Kreisen
                                                                                          grundsätzlich
angehörten. Ferner hat es der Militärbefehlshaber nach Mög- (mm)
lichkeit
vermieden, mehrere Personen aus derselben Familie
als Geiseln zu erschiessen. Ausgeschlossen waren weiterhin
wegen Art.             des Genfer Abkommens Kriegsgefangene.
Die zu erschiessenden Geiseln wurden in erster Linie
aus dem Kreis der Häftlinge im Bezirk des Tatorts genommen.
Oft war dies aber nicht in vollem Umfange möglich, weil in
dem betreffenden Gebiet nicht die erforderliche Anzahl ge-
eigneter Personen zur Verfügung stand. Dann musste auch auf
entfernter Einsitzende zurückgegriffen werden. Bedenken stan-
den dem nicht entgegen, denn die Sabotage entstand ja nicht
aus streng örtlich gebundenen Kreisen, sondern aus einer sich
über das ganze besetzte Gebiet erstreckenden Organisation auf
gemeinsamer geistiger Grundlage. Der Zusammenhang zwischen
Täter und Geisel war somit auch dann gegeben. Ueberdies waren
Saboteure häufig von auswärts zugereist. Jedenfalls hat der
Militärbefehlshaber immer den sachlichen und ideologischen Zu-
sammenhang zwischen dem Täterkreis und den Geiseln für weit
wichtiger angesehen als den örtlichen.
d) Durchführung der Erschiessung
Die nachgeordneten Dienststellen waren angewiesen, die
Erschiessung nach den Bestimmungen des Kriegesstrafverfahrens-
rechts über den Vollzug der Todesstrafen durchzuführen. Damit
war ein geregeltes und menschliches Verfahren sichergestellt.
Die zur Erschiessung Bestimmten wurden eine angemessene Frist
vorher von der Entscheidung unterrichtet; sie erhielten Ge-
legenheit zu geistigem Zuspruch und zum Schreiben von Ab-
schiedsbriefen, die weitergeleitet wurden, wenn sie keine be-
lastenden Bemerkungen enthielten. An dieser Praxis wurde aus
menschlichen Gründen festgehalten, obwohl aus propagandisti-
schen Erwägungen manches gegen sie sprach. So ist bekannt ge-
worden, dass die illegale Presse Auszüge aus Abschiedsbriefen

Feuillet 38

                                                                                                                                 141

im besatzungsfeindlichen Sinne verwertet hat.
Die Beerdigung der Leichen erfolgte deutscherseits
auf öffentlichen Friedhöfen. Es war nur Vorsorge getroffen,
dass nicht durch gemeinschaftliche Beerdigung einer grossen
Anzahl auf dem gleichen Friedhof Stätten geschaffen wurden,
die Anknüpfungspunkte für eine deutschfeindliche Propaganda
bilden konnten. Der Beisetzungsort jedes einzelnen Erschos-
senen wurde dem Präfekten bekanntgegeben. Der Generalde-
legation wurde mitgeteilt, dass gegen eine Ausschmückung
der Grabstätten und gegen das Setzen von Grabsteinen oder
                   seitens der
Grabkreuzen ?????? Angehörigen in der üblichen Weise keine
Bedenken bestünden.
e) Bekanntgabe.
Die vollzogene Erschiessung wurde in jedem Fall der Be-
völkerung unter Angabe des Sabotagefalls, auf den sie sich
bezog, öffentlich bekanntgegeben. Anfangs wurden die Namen
der erschossenen und der Grund ihrer Vorbelastung (kommuni-
stischer Funktionär, Waffenbesitz usw.) in die Bekanntmachung
aufgenommen, dann nur noch die Namen. In den späteren Fällen
wurde nur noch bekanntgegeben, dass für ein näher bestimmtes
Attentat eine Anzahl von Geiseln erschossen worden sei, um
eine Glorifizierung der Erschossenen durch die Gegenpropagan-
da zu vermeiden.
Den Präfekten wurde für jede erschossene Person eine
amtliche Todesbescheinigung übersandt. Zweitschriften er-
hielt die Generaldelegation durch die Hand des Militärbe-
fehlshabers.

Feuillet 38 (suite)

                                                                                                                                 140
Es ist nicht bekannt geworden und bei der
Einstellung aller nachgeordneten Dienststellen auch
völlig ausgeschlossen, dass im Zusammenhang mit den
Erschiessungen irgendwelche unnötigen Grausamkeiten
begangen worden sind. Durch dienstliche Erklärungen
der Beteiligten sind z.B. auch die Meldungen der
Feindpropaganda widerlegt, wonach dem oben erwähnten,
für den Fall Nantes erschossenen Mann mit nur einem
Bein vor der Erschiessung seine Prothese abgenommen
und er am Boden liegend exekutiert worden sei. Im
Gegenteil, es wurde ihm zur Erleichterung beim Gehen
selbstverständlich ein Stock zur Verfügung gestellt,
er konnte sich auf dem Richtplatz aufrecht bewegen
und ist auch stehend erschossen worden (vgl. Akten
des Chefs des Militärverwaltungsbezirks B Abt. Verw.
V ju 5000 Blatt 90, 92 u. 98.

Feuillet 38a

                                                                                                                                 142
f) Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Dienststelle
des Militärbefehlshabers.
Mit dem Übergang zu dem Geiselverfahren schaltete
sich der Militärbefehlshaber in verstärktem Masse per-
sönlich in die Entscheidung über die zu treffenden Mass-
nahmen ein. Jede Verfügung von einiger Tragweite wurde
von ihm oder bei seiner Abwesenheit von seinem Vertreter
im Kommando gezeichnet. Zur Vorbereitung dieser Verfüg-
ungen waren dieselben Abteilungen berufen wie bisher,
vom Verwaltungsstab die Gruppen Justiz und Polizei, vom
                                                                  >hierzu
Kommandostab die Abteilung I c. Hiezu (sic) trat wegen der
Überschneidungen mit der kriegsgerichtlichen Sphäre
die Abteilung III des Kommandostabes. Sehr bald zeigte
sich, dass das Schwergewicht sich zum Kommandostab hin-
neigte. Die militärischen Stellen einschliesslich des
Oberbefehlshabers selber betrachteten die Sabotagebe-
kämpfung vorwiegend als eine politische und militärische
und erst in zweiter Linie als eine verwaltungsmässige
polizeiliche Aufgabe, womit die überwiegende Zustän-
digkeit umsomehr (sic) zur Abteilung I c hinwanderte, als diese
nicht nur mit Offizieren besetzt war, sondern auch die
Rolle des politischen Beraters des Militärbefehlshabers
innehatte. Es kam hinzu, dass die Auseinandersetzungen
mit der vorgesetzten Dienststelle, ausser vom Militärbe
fehlshaber persönlich ausschliesslich vom Chef des General-
stabs und vom Leiter der Abteilung I c geführt wurden. Der
Verwaltungsstab war, was die Vorbeugungs- und Sühne-
massnahmen angeht, weder am Schriftverkehr noch am  fern-
mündlichen Verkehr mit dem Generalquartiermeister beteiligt

Feuillet 38b

                                                                                                                                 143
Auf  Grund aller dieser Faktoren entwickelte sich die
Zuständigkeitsverteilung in grossen Zügen wie folgt:
Dem Verwaltungsstab und insbesondere der Gruppe Justiz
oblag, nachdem der Militärbefehlshaber sich zur Anwendung
des Geiselverfahrens entschlossen hatte, in erster Linie
der organisatorische Teil der Aufgaben. Die grundlegen-
den Erlasse, die die Geiselauswahl, die Vorschlagslisten,
das Verfahren bei der Exekution usw. betrafen, sind unter
Beteiligung der Abteilung II c von der Gruppe Justiz vor-
bereitet worden. Dieser oblag auch federführend die letzte
Bestimmung der für den Einzelfall zu erschiessenden Per-
sonen, wobei die Gruppe Polizei und die Abteilung III des
Kommandos massgebend beteiligt wurden. Nur für den Fall
Nantes ist diese Aufgabe von der Abteilung I c wahrgenommen
worden. Die Vorbereitung der Entscheidung, ob für einen
Sabotagefall Geiseln zu erschiessen seien und in welcher
Zahl, ging aber, insbesonders (sic) nachdem diese Fragen nur
mehr im Einverständnis mit den vorgesetzten Dienststellen
behandelt werden durften, ausschliesslich auf die Ab-
teilung I c über. Dementsprechend bildete sich im Laufe
der Zeit folgendes Verfahren heraus: War die Entscheidung
über die Zahl der zu erschiessenden Geiseln gefallen,
so gab die Abteilung I c dies dem betreffenden Bezirks-
chef im Erlasswege bekannt. Durchschlag dieses Erlasses
ging der Gruppe Justiz zu, die dann nach Bestimmung der
einzelnen zu Erschiessenden den eigentlichen Exekutions-
befehl vorbereitete.

Feuillet 39

                                                                                                                                 144
5.) Die Grundeinstellung des Militärbefehlshabers zur Frage
des Geiselverfahrens, insbesondere die Auseinandersetzungen
zwischen ihm und seinen vorgesetzten Dienststellen.
Bei der Beurteilung der Massnahmen, die der Militär
befehlshaber zur Bekämpfung der Sabotagebetätigung in
Frankreich ergriffen hat, ist nicht ausser Acht zu lassen,
dass er vom September 1941 an in einen starken Gegensatz
zu seinen vorgesetzten Dienststellen geriet, denen gegen-
über er sich mit seiner Auffassung nur mehr beschränkt
durchzusetzen vermochte. Die Bekanntmachung vom 28.8.1941
und somit der Rückgriff auf die Geiselhaftung entspringt entsprang
zwar dem eigenen Entschluss des Militärbefehlshabers. Wie
oben dargelegt wurde, hatte sich die Lage in Frankreich
so gestaltet, dass nur wirklich fühlbare Massnahmen die
Sicherheit der Besatzungsmacht und die Aufrechterhaltung
von Ruhe und Ordnung gewährleisten konnten. Als solche Mass-
nahme bot das Völkerrecht die Geiselhaftung, sie musste
der Militärbefehlshaber musste sie daher nicht nur den ihm zugegange-
nen allgemeinen Weisungen entsprechend, sondern auch um
seiner Verantwortung für die Sicherheit der Truppe willen
zur Anwendung bringen. Es hat aber nie in seiner Absicht
gelegen, die Zahl der für die Einzelfälle zu erschiessenden
Personen so zu steigern, dass man von Massenerschiessungen
sprechen konnte. Gegen eine solche Steigerung der Propor-
tion bestanden nicht nur völkerrechtliche und menschliche
Bedenken, sie war nach Auffassung des Militärbefehlshabers
auch mit schwerwiegenden politischen Folgen unvermeidlich
verbunden. Dass man höheren Ortes anderer Ansicht war, ergibt
                               (OKH Genstb. Gen Qu Nr II/1406/41 g K)
sich aus einem Fernschreiben des OKH vom 7.9.41 (mm) das als
Antwort auf die Meldung des Militärbefehlshabers über die

Feuillet 40

                                                                                                                                 145

erste von ihm durchgeführte Geiselerschiessung – 3 Kommu-
nisten für einen Mordanschlag (Vgl. unten II, Ziff. 1) –
auch einging und folgenden Wortlaut hatte:
„Zur Erschiessung dreier Geiseln wegen kommunistischen
Anschläge vom 3.9. werden folgende Führerbemerkungen
zur Beachtung mitgeteilt:
1)     Die Vergeltungsmassnahmen an den drei Kommunisten
(Geiseln) ist viel zu melde (sic > mild)! Ein deutscher Soldat sei
ihm mehr wert als drei französische Kommunisten. Der
Führer erwartet, dass in solchen Fällen mit den
schärfsten Vergeltungsmassnahmen geantwortet werde.
2)     Die Erschiessung von drei Geiseln könne er nur als
die erste Sofortmassnahme gelten lasse; wenn der Mör-
der nicht in kurzer Frist ausgeliefert werde, seien
wenigstens 50 weitere Erschiessungen vorzunehmen,
und zwar in erster Linie führende Kommunisten !
3)     Neufestsetzung von wenigstens 300 neuen Geiseln sei
gebeten.
4)     Beim nächsten Mordanschlag seien mindestens 100 Er-
schiessungen sofort vorzunehmen für einen Deutschen.
Ohne solche drakonischen Vergeltungen werde man der
Dingen nicht Herr.

Es wird um fernschriftlichen Bericht gebeten, welche
Gründe für Beschränkung der Erschiessungen auf drei Gei-
seln massgeblich gewesen sind. Ferner wird gebeten,
rechtzeitige Meldung derartiger politischer Ereignisse
an OKH sicherzustellen. Bislang liegt nur Meldung über
Attentat an Heeresfeldpolizeichef vor.“
Diesem Befehl gegenüber erhob der Militärbefehlshaber
beim OKH Gegenvorstellungen, indem er seine Gesamtauffas-
sung zu dem Problem in dem nachstehend wiedergegebenen
Schreiben (Nr 430/41 g Kdos) darlegte:
„Lage und innere Sicherheit in Frankreich haben sich
seit Lagebericht Ic Nr. 4000/41g vom 25.8.41 nicht ge-
ändert. Die innere Sicherheit des Landes und die Si-
cherheit der Besatzungsmacht sind nach wie vor z.Zt.
nicht bedroht.

Feuillet 41

                                                                                                                                 146
Zu 1) und 2):
Uffz. Hoffmann wurde am 3.9. in Begleitung seiner
Braut bei Rückkehr vom Theater von rückwärts angeschos-
sen und verletzt. Ob der Schuss dem Uffz. oder dem Mäd-
chen gelt, ist nicht festgestellt. Täter unerkannt ent-
kommen. Fall wurde sofort mit Tagesmeldung wie üblich
dem O.B. West gemeldet, da er nicht als „Besonderes Vor-
kommnis“ im Sinne einer Verschärfung der Lage angesehen
werden konnte. Zukünftig wird sofort Meldung erfolgen.
Erschiessung von 3 Geiseln für Fall Hoffmann wird
für ausreichend gehalten. Mil.Bef. muss nach Gesamtlage,
der Verschiedenartigkeit der Fälle, nicht schematisch
handeln, sondern sich für längere Zeit allmähliche Stei-
gerungsmöglichkeiten vorbehalten können. Verschärfung der
Strafmassnahmen bei Wiederholungsfällen war an sich vor-
gesehen, soll bei nächstem Fall 10 Geiseln umfassen.
Massenerschiessungen würden die bis jetzt sich loyal
verhaltende Masse der Bevölkerung in schärfsten Gegensatz
zur Besatzungsmacht bringen, passiven Widerstand in der
für uns arbeitenden Wirtschaft und Rüstungsindustrie her-
vorrufen und einer Zusammenarbeit Deutschland-Frankreich
Zukunftsmöglichkeiten nehmen.
Aeusserungen uns und der Zusammenarbeit übelwollen-
der Persönlichkeiten zeigen höchstes Interesse an Zuspit-
zung der Lage durch schärferes Eingreifen des Mil.Bef.,
kämpfen gegen neues für Frankreichs Rechtsauffassung re-
volutionäres franz. Sondergesetz an, wollen alle Massnah-
men Mil.Bef. auflasten, um Erbitterung im Volke gegen
deutsche Wehrmacht zu erreichen.
Franz. Regierung tut z.Zt. alles zur Verhinderung und
Ahndung von Anschlägen auf Besatzungsmacht. Sondergesetz-
gebung und Sondergerichtshöfe.
Durch Massenerschiessungen könnte auch franz. Regie-
rung unmöglich gemacht und im Zusammenhang damit auch das
Problem Nordafrika akut werden.
Massenerschiessungen können ferner gerade als Schwä-
chezeichen ausgelegt werden, während nüchternes, festes
aber sich in gewissen Grenzen bewegendes Verhalten des
Mil. Bef. als Anzeichen des Stärkebewusstseins der Besat-
zungsbehörden im Franz. Volk empfunden werden wird.
Massenerschiessungen werden überdies englische Agen-
ten, vom Feinde bezahlte Subjekte und Fanatiker nicht ab-
schrecken, aber der Feindpropaganda mit ihren Auswirkungen
neuen Auftrieb geben.

Feuillet 42

                                                                                                                                 147
Jetzt nach Abschluss der Strafmassnahmen im Falle
Hoffmann und öffentlicher Bekanntgabe dieser noch nach-
träglich zusätzliche Erschiessungen vorzunehmen bringt
mich in schiefe Lage, widerspricht meiner ganzen ernst
erwogenen Auffassung über Lage und Notwendigkeit und
ist für mich untragbar. Sollte daran festgehalten wer-
den, erbitte ich meine sofortige Abberufung.
Ich bitte erneut um klare, zeitlich begrenzte Richt-
linien über die Gestaltung der politischen Beziehungen
zu Frankreich, sie erst geben mir die notwendige Grund-
lage zur Behandlung aller Fragen.

Zu 3):
Alle in deutscher Haft befindlichen Franzosen sind
zu Geiseln erklärt: rund 4 000 Personen aller Bevölke-
rungskreise.
Massenerschiessungen sind durch Lage noch nicht ge-
rechtfertigt, sie könnten die franz. Bevölkerung zu einem
Widerstand bringen, der aus politischen, militärischen
und wirtschaftlichen Gründen zu erheblichen Schwierig-
keiten führen könnte.
Dem Herrn Oberbefehlshaber West ist Vortrag ge-
halten. Botschafter Abetz teilt meine politische Beur-
teilung, ist zum Führervortrag befohlen und wird bei
dieser Gelegenheit auch seine Anschauungen über von mir
getroffene Massnahmen vortragen.“

Da auf diese Gegenvorstellungen zunächst eine Entscheidung
des OKH nicht erging, verfolgte der Militärbefehlshaber bei den
sich weiterhin ereignenden Attentatsfällen die von ihm für rich-
tig gehaltene Linie. Er befahl für 3 am 6, 10. und 15.9.41 in
Paris stattgehabte Attentate (vgl. unten II Ziff. 2) die Erschies-
sung von insgesamt 10 Geiseln und entschloss sich erst, als in
Paris erneut ein sehr schwerwiegender Anschlag auf einen deut-
schen Offizier mit tödlichem Ausgang erfolgt war, (vgl. unten II Ziff. 3), die Erschiessung von 12 Geiseln anzuordnen. Diese
Steigerung war wegen der hartnäckigen Wiederholung derartiger
Angriffe in Paris erforderlich, sie scheint auch in der Wir-
kung ausreichend gewesen zu sein, denn fürs erste war damit die
Serie der Pariser Attentate abgeschnitten. Als am 18.9.1941

Feuillet 43

                                                                                                                                 148

im Bereich des Militärverwaltungsbezirks C Dijon 2 Eisen-
bahnanschläge vorkamen (vgl. unten II, Ziff. 4), glaubte der
Militärbefehlshaber, da dieses Gebiet bisher ruhig gewesen
war, mit weniger scharfen Reaktionen antworten zu können.
Obwohl das eine der Attentate sehr schwerwiegende Folgen ge-
habt hatte, wurde auf Vorschlag des Bezirkschefs die Er-
schiessung von nur 2 Geiseln befohlen. Veranlassung zu dies-
ser Milde gab auch der Umstand, dass das zweite Attentat in-
folge der Wachsamkeit eines französischen Streckenläufers
ohne Folgen geblieben war.
Dieser zurückhaltenden (sic>-den) Politik des Militärbefehlshabers
entsprach übrigens durchaus der Auffassung der beteiligten
Bezirkschefs, deren Vorschläge in den einzelnen Fällen von
dem Militärbefehlshaber angenommen wurden. Uebrigens hat
sich a
Auch das OKH hat sich mit der eingeschlagenen Linie einverstanden
erklärt; nach einem Aktenvermerk des Leiters der Abt. Ic
beim Militärbefehlshaber hat der Generalquartiermeister im
Hinblick auf einen sehr scharfen, allen Befehlshabern in den
besetzten Gebieten zugegangenen Befehls (sic> Befehl ?) des Chefs des OKW
vom 16.9.1941 (vgl. Anl. 5a) am 19.9.1941 fernmündlich das
folgende mitgeteilt:
„Nach Vorschlag bei Generalfeldmarschall von Brauchitsch
hat dieser sich dahin geäussert; die Weisung des OKW
lasse dem Militärbefehlshaber genügend Spielraum. Die
ang???egebenen Zahlen seien nicht bindlichend und müssten wert-
sentlichen den Verhältnissen angepasst werden. Die Verfü-
gung des OKW sei in dieser Beziehung als Weisung, nicht
als Befehl aufzufassen. Generalfeldmarschall von Brau-
chitsch verstehe voll die Schwierigkeiten des Militär
befehlshabers in Frankreich…“
Der Ob d H hatte mit dieser Auffassung allerdings, wie sich
nachträglich herausstellte, den Standpunkt des OKW nicht

Feuillet 44

                                                                                                                                 149

richtig eingeschätzt. Dass diesers vielmehr trotz der Gegenvor-
stellungen des Militärbefehlshabers an seinen Befehlen fest-
hielt und sie auch in den besetzten Westgebieten voll zur
Anwendung gebracht wissen wollte, ergab sich eindeutig aus
einer Weisung, die Generalfeldmarschall Keitel anlässlich des
nächsten Attentats, der am 20.10.1941 erfolgten Er-
mordung des Feldkommandanten von Nantes, dem Militärbefehls-
haber fernmündlich erteilen liess, und der (sic>die?) nach einem Akten-
vermerk des Chefs des Generalstabes beim Militärbefehlshaber
folgenden Inhalt hatte:
„Dem Führer ist die Ermordung des Feldkommandanten von
Nantes zur Kenntnis gekommen. Der Führer sieht darin einen
der schwerwiegendsten Beweise englischer Tätigkeit in
Frankreich. Die Franzosen müssen so gestraft werden, dass
sie flehentlich in England bitten würden, weitere Anschlä-
ge in Frankreich zu unterlassen. Generalfeldmarschall Kei-
tel gibt als Anhalt für Strafen:
Erschiessung von 100 bis 150 Geiseln,
eine Prämie von 1 Million Goldfranken für Er-
    fassung des Täters.
Bis 12°° Uhr hat Militärbefehlshaber beabsichtigte Mass-
nahmen an OKW zu übermitteln. Generalfeldmarschall Keitel
weist darauf hin, es wäre besser, wenn der Führer dann
eine Mässigung üben würde, als wenn die Vorschläge des
Militärbefehlshabers zu milde ausfallen würden.“

Damit war die höchsten Orts auch für Frankreich befohle-
ne Linie völlig klar herausgestellt. Unterstrichen wurde dies
noch durch die Mitteilung, die der Generalquartiermeister am
25.10. fernmündlich dem Chef des Generalstabes übermittelte,
wonach z.Zt. in der Geiselfrage keinerlei politische Verant-
wortung beim Militärbefehlshaber liege, auch nicht beim Ob d H
sondern einzig und allein beim Führer. Dieser behält sich
die gesamte Exekution und die Ausführung jeglicher Art vor.
        Kdostab
(Akten (mm) Ic B 2e Blatt 35 grün).

Feuillet 45

                                                                                                                                 150
Dem Militärbefehlshaber blieb somit nur übrig, im Rahmen
der bindenden Anordnungen seiner Vorgesetzten seiner Auffas-
sung noch so weit zum Zuge zu verhelfen, wie es unter den
gegebenen Umständen noch zu bewerkstelligen war. Dementspre-
chend hat der Militärbefehlshaber:
Grund??? streng festgehalten dass wir ?frische? ??????? ?wenden? dürften
1)    An dem Gedanken der Geiselhaftung streng festgehalten.
Während das OKW darauf offensichtlich keinen Wert legte,
hat der Militärbefehlshaber seine nachgeordneten Dienst-
stellen streng angewiesen, jeweils nur Personen zu er-
schiessen, die zur Zeit des Anschlags bereits in Haft
gewesen waren, mit deren Erschiessung also der Saboteur
auf Grund der allgemeinen Bekanntmachung des Militärbefe-
hlshabers vom 21.8.1941 rechnen musste.
2)    Weiterhin hat der Militärbefehlshaber, soweit ihm eine
Einwirkungsmöglichkeit zustand, alles getan, um die Zahl
der zu erschiessenden und der erschossenen Geiseln an
unteren Grenze des von oben Gewollten zu halten. Er hat
auch für den Fall Nantes die geringste der vom OKW an-
gegebenen Zahlen, nämlich 100, vorgeschlagen und weiter-
hin gebeten, die Erschiessung dieser 100 solange auszu-
setzen, bis eine für die Ergreifung der Täter zu stellen-
de Frist verstrichen sei. Er erreichte auch tatsächlich,
dass nur 50 Geiseln sofort erschossen wurden waren, und die
Erschiessung der übrigen 50 nur für den genannten Fall
angedroht zu werden brauchte. Seinen in der Folgezeit
unablässig geführten Bemühungen gelang es dann auch, zu
erreichen dass praktisch auf die Erschiessung der zwei-
ten Rate verzichtet wurde, obwohl die Täter nie gefasst
wurden. Weiterhin konnte der Militärbefehlshaber errei-
chen dass für die unmittelbar nach dem Fall Nantes,

Feuillet 46

                                                                                                                               151

nämlich am 21.10.1941, erfolgte Ermordung des KV-Rats Dr.
                                                         Abschnitt
Reimers in Bordeaux (vgl. unten II Ziff. 6) eine Verschärfung
der Sühnemassnahmen vermieden wurde. Auch hier konnte es
bei der sofortigen Erschiessung von 50 und bei der Androhung
der Erschiessung von weiteren 50 für den Fall, dass der Tä-
ter nicht binnen bestimmter Frist ergriffen wurde, verblei-
ben. Auch hier hat es der Militärbefehlshaber durchgesetzt,
dass die Erschiessung der zweiten Rate unterbleiben konnte,
obwohl auch hier die Ergreifung der Täter nicht gelang.
Immerhin war auch nach Durchführung dessen, was der
Militärbefehlshaber bei seiner vorgesetzten Dienststelle zu
erreichen vermochte, die Wirkung im französischen Volk unge-
                                 Massnahmen
heuer stark. Die Geiseln (mm) wurden in allen französischen Krei
sen einheitlich abgelehnt, bedeuteten eine schwere Belastung
für jeden Kollaborationsgedanken und führten sogar beinahe
                                 Zusammenbruch
zu einem völligen Katastrophe (mm) der offiziellen französischen,
eine Annäherung an Deutschland erstrebenden Politik. (Darüber-
                                             Verantwortlichkeitsgefühl
unten Seite 54). Aus seiner Sorge (mm) für die gesamte Entwick-
lung hat der Militärbefehlshaber in einem Bericht an das OKH
vom 25.10.41 (Ic 5084/41 geh) nochmals seine ernsten Bedenken
gegen die eingeschrittlagene Linie vorgetragen und zum Ausdruck
gebracht, künftige Sühnemassnahmen müssten angemessen aber
gerecht und massvoll sein, jedes Uebermass müsse vermieden
werden. Gleichzeitig bat er, ihm die Entscheidung über Sühne-
massnahmen wieder selbst zu übertragen. Diesem Antrag wurde
keine Folge gegeben. So musste sich der Militärbefehlshaber
angesichts einer ausserordentlich bedrohlichen Attentatsserie
in Paris Ende November/Anfang Dezember 1941 erneut zu einem

Feuillet 47

                                                                                                                                 152

harten Schlag im Sinne der ihm von oben gegebenen bindenden
Anweisung entschliessen und am 14.12.1941 für 7 zum Teil
schwere Anschläge die Erschiessung von 100 verhafteten Juden,
Kommunisten und Anarchisten, die dem vermutliches Täterkreis
                                                         Abschnitt
nahestanden, befehlen (vgl. unten (mm) II, Ziff. 7). Da aber auch
diese Massnahme keine abschreckende Wirkung ausübte, die
Attentatsserie vielmehr nicht abriss, hat der Militärbefehls-
haber erneut Anlass genommen, die ganze Frage bei seiner vor-
gesetzten Dienststelle anfangs des Jahres 1941 nochmals
grundsätzlich zur Sprache zu bringen. Veranlassung hierzu
bot insbesondere auch der Umstand, dass die Ergebnisse der
zwischenzeitlichen polizeilichen Ermittlungen und die sonsti-
                   mel
gen gesam(mm)ten Erfahrungen ein Bild von der Gesamtlage aufzeig-
ten, dass (sic> das??) sich sogar von dem noch abhob, von dem der Mili-
tärbefehlshaber selbst pflichtgemäss am Anfang der Entwick-
lung hatte ausgehen müssen. Zwar hatte er immer darauf hinge-
wiesen, dass die Masse der französischen Bevölkerung den At-
tentaten ablehnend gegenüberstand; er musste aber am Anfang
noch mit Grund befürchten, dass die Kreise, aus denen die
Sabotage gekeführt wurde, von nicht ganz unerheblicher Breite
seien und insbesondere, dass sie sich, wenn nicht sofort
fühlbar eingegriffen würde, rasch verbreitern würden. Nun-
mehr zeigte sich aber, dass die Attentate offensichtlich al-
le von einem ganz kleinen Kreis von Terroristen begangen wur-
den, die im Lande herumreisten und bald hier, bald dort An-
schläge verübten. Vielleicht war eine Ausbreitung des At-
tentäterkreises sogar von der feindlichen Führung gar nicht
beabsichtigt, rieten doch sowohl de Gaulle wie auch die
kommunistische Propaganda in ihren für die französische
Allgemeinheit bestimmten Weisungen von Kapitalverbrechen ab.
                                                                     es war nicht
Es zeigte sich auch mehr und mehr, dass (mm) der Zweck der



Feuillet 48

                                                                                                                                 153

Ueberfälle gar nicht war (sic> war), die Besatzungsmacht dadurch zu
schädigen, dass man ihre Angehörigen tötete, dass es den
Attentätern vielmehr um die Vergiftung der Atmosphäre zwi-
schen der Besatzungsmacht und der französischen Regierung
und dem französischen Volk auf der anderen Seite ging. So-
mit erwies sich das zur Evidenz, was der Militärbefehlshaber
schon frühzeitig nach oben berichtet hatte: jede Art von Gei-
selerschiessung musste den Attentätern nicht nur willkommen,
sondern geradezu als die von ihnen erstrebte Reaktion der
Besatzungsmacht erscheinen. Der Militärbefehlshaber hat die-
se Erkenntnis und die Folgerungen, die er daraus ziehen zu
müssen glaubte, in einem Bericht vom 15.1.1942 (Az. 25/42
g Kdos) dem OKH unterbreitet, dessen entscheidende Schluss-
absätze folgendermassen lauteten:
„Ich fasse somit meine Ansicht über Massnahmen wie folgt
zusammen:
1.)   Kommunisten, die meinen Dienststellen und der franzö-
sischen Polizei, trotz des Verbots der K.P.F., als
Parteimitglieder bekannt werden, besonders aus den kom-
munistischen Jugendgruppen, aus denen vornehmlich die
Täter stammen, werden auch weiterhin verhaftet wer-
den.
2.)   Als Vergeltungsmassnahmen halte ich den fallweisen
Abtransport einer gewissen Anzahl der bereits inter-
nierten Kommunisten und Juden nach Deutschland oder
dem Osten für zweckmässig, insoweit er transportmässig
durchführbar ist und den sicherheitspolizeilichen Er-
fordernissen entspricht. Eine solche Massnahme wird
sicherlich eine starke allgemeine Wirkung auslösen.
3.)   Von weiteren zusätzlichen Strafmassnahmen, wie z.B.
der Heraufsetzung der Sperrstunde, der Heranziehung
der Bevölkerung zur Bewachung usw. wird auch weiterhin,
insoweit es mir zweckmäßig erscheint, Gebrauch ge-
macht werden.

Feuillet 49

                                                                                                                                 154

4.)   Exekutionen beabsichtige ich zukünftig nur in beson-
deren Attentatsfällen gegen Wehrmachtsangehörige,
vornehmlich mit Todesausgang – bei Anhäufung solcher
Attentate jedoch auch ohne Todesfolge – oder bei
Sabotageakten, die in ihrer Auswirkung besonders ge-
fährlich sind, vorzunehmen. Ich halte es jedoch für
unerlässlich, zuvor eine angemessene Frist zur Fest-
stellung der Täter abzuwarten weil die Aufdeckung
solcher gemeiner Verbrechen nur nach kriminalistischen
Methoden und innerhalb einer bestimmten Zeit erfol-
gen kann, die derartige wohlvorbereitete Verbrechen
üblicherweise und insbesondere unter den im besetz-
ten Gebiet besonders schwierigen Verhältnissen er-
fordern.
     Ich beabsichtige, Exekutionen nur in begrenzter,
den Tatumständen angepasster Zahl anzuordnen.
          Massenerschiessungen kann ich jedenfalls in Er-
kenntnis der Gesamtlage und der Auswirkung solcher
Massnahmen auf die gesamte Bevölkerung und unser Ver-
hältnis zu Frankreich – wenigstens zur jetzigen Zeit
und unter den derzeitigen Umständen – nicht mehr mit
meinem Gewissen vereinbaren, noch vor der Geschichte
verantworten.
         Sie sind m.E. erst bei erheblicher Verschärfung
der Lage angebracht und würden dann auch schon von
mir angeordnet werden.“

Als Antwort telegraphierte der Generalquartiermeister am 3.2.
1942:
„Generalfeldmarschall Keitel lehnt nach Vortrag beim
Führer ab, der von dort vorgeschlagenen alleinigen Be-
urteilung und eigenmächtigen letzten Entscheidung für
Sühnemassnahmen bei Attentaten und Sprengstoffanschlägen
näherzutreten, so lange die von dort vorgeschlagenen
Massnahmen nach Art und Umfang der Grundeinstellung des
Führers nicht Rechnung tragen. Für die seit 15.1. ge-
meldeten und noch nicht aufgeklärten aber sich mehrenden
Attentate und Sprengstoffanschläge muss eine scharfe
und abschreckende Sühne durch Erschiessung einer grossen
Anzahl festgenommener Kommunisten bzw. Juden und Ver-
brecher früherer Attentate und Festnahme von wenigstens
eintausend Kommunisten bzw. Juden zum Abtransport er-
folgen. Feldmarschall Keitel sieht einer entsprechenden
Unterrichtung zur Vorlage beim Führer entgegen.“

Feuillet 50

                                                                                                                                 155
Damit war auch dieser Versuch einer Aenderung der
Politik misslungen und die Geiselpraxis musste weiterge-
führt werden. Der Militärbefehlshaber hat sich aber weiter
bemüht, die Zahlen auf jede Weise herabzumindern. Dieser
                                                                                                Massen
Bemühung ist es zu verdanken, dass jedenfalls grössere (mm) Eer-
schiessungen in dem früheren Umfange nicht mehr erfolgten,
obwohl die Attentate zum Teil äusserst schwerwiegend waren.
Wegen der Einzelheiten kann auf Abschn. II und III verwie-
sen werden.
Ein erneutes grundsätzliches Vorstelligwerden dem beim OKW
gegenüber wäre schon den gemachten Erfahrungen nach in der
Folgezeit völlig aussichtslos und auch schon deshalb nicht
                   gewesen
angezeigt (mm), weil bereits durch Führererlass vom 9.3.1942 die
Zuständigkeit zur Verhängung von Sühnemassnahmen vom Mili
tärbefehlshaber weg auf den Höheren SS- und Polizeiführer
verlegt wurde, sodass von da ab der Militärbefehlshaber nur
                   ??????
noch interministeriell tätig wurde. Allerdings hat dieser
Zustand wider Erwarten lange angedauert, bis am 1.6.1942 der
Höhere SS- und Polizeiführer die Sühnemassnahmen wieder end-
gültig übernahm.
6.) Die Haltung der französischen Regierung und französischen Be-
hörden den Attentätern und den deutschen Massnahmen gegenüber.
Die französische Regierung hat von Anfang an die Atten-
tate nicht nur missbilligt, sondern auch aktivste Hilfe bei
ihrer Bekämpfung zugesagt und geleistet. Es bildete sich rasch
eine gemeinsame Front der Besatzungsmacht und der französi
schen Regierung. Dies war einleuchtend, denn die Sabotage
ging ja von Kreisen aus, die der französischen Regierung
ebenso ablehnend, wenn nicht noch ablehnender, gegenüberstanden
als wie der Besatzungsmacht, von denen jene daher Kampf bis zum

Feuillet 51

                                                                                                                                 156

Auessersten zu erwarten hatte. Wenn die französische Regie
rung sich sofort und energisch zur Bekämpfung der Attentate
zur Verfügung stellte, so geschah dies offensichtlich auch
zu dem weiteren Zwecke, die Besatzungsmacht der Notwendigkeit
                                     Gegen
zu entheben, krasse (mm) Mmassnahmen zu ergreifen. Dies lag der
französischen Regierung umso mehr am Herzen, als die Geisel-
                                der Militärbefehlshaber
erschiessung, die die Besatzungsmacht angedroht hatte und
dann durchführte, nicht nur von ihr selbst abgelehnt, sondern
auch, wie die Regierung sie genau wusste, von der französischen
Bevölkerung nahezu einheitlich missbilligt wurden (sic > wurde). Dass die
Besatzungsmacht ihre Massnahme streng auf Parteigänger der
Attentäter beschränkte, hat der Opposition natürlich die
letzte Spitze genommen, aber niemals verhindern können, dass
doch das gesamte französische Volk sich durch die Erschies
sung betroffen fühlte. Die gegenteilige Meinung der höchsten
Reichsbehörden verkannte insofern die französische Mentali-
tät und die Erschiessungen blieben, worauf der Militärbefehls
haber ja stets hingewiesen hat, die stärkste Belastung, der
die Kollaborationspolitik ausgesetzt war. Daran änderte sich
auch nichts, als deutscherseits auf Befehl des Militärbefehls
habers nicht mehr von Geiseln gesprochen wurde, weil dieser
Begriff den Franzosen immer die Vorstellung von Notabeln
nahe legte, sondern den Tatsachen entsprechend nur noch von
Kommunisten, Anarchisten usw. Noch am 4.3.41 hat Admiral
Darlan in einer Besprechung mit dem Verbindungsoffizier zur
französischen Regierung eingehend die Wirkung der deutschen
Massnahmen auf das französische Volk dargelegt. An der aus
der Durchführung dieser Massnahmen daher unvermeidlich fol-
genden Störung des an sich guten Verhältnisses zwischen der
Besatzungsmacht und der französischen Bevölkerung hatte die
Regierung, die den Kollaborationsgedanken vertrat, aber

Feuillet 52

                                                                                                                                 157

keinerlei Interesse; im Gegenteil, sie musste, um ihre Po-
litik verfolgen zu können, alles tun, um jede solche Störung
zu vermeiden. So war ihre Haltung klar vorgezeichnet:
1.)   Möglichste Unterbindung der Attentate,
2.)   Gelang dies nicht, so doch rasche Ergreifung des Täters,
um die Besatzungsmacht der Notwendigkeit des Ergreifens
von Sühnemassnahmen zu entheben.
3.)   Gelang das nicht, so Einflussnahme auf die Besatzungs-
macht in Richtung einer Mässigung der Sühnemassnahmen.
Die erste Aufgabe, Unterbindung der Attentate, war
                                                                                             leisten
durch polizeiliche Vorkehrungsmassnahmen nicht zulässig (mm), da
die Möglichkeit solcher Attentate infolge der sich über das
ganze Land erstreckenden Besetzung unbegrenzt war. Somit
blieb der Weg psychologischer Einwirkung auf den Kreis der
Täter und der Begünstiger. Diesen beschritt die französische
Regierung auch, indem sie einerseits in Aufrufen die Landes-
einwohner beschwor, von den Attentaten abzulassen, indem sie
andererseits dadurch abzuschrecken versuchte, dass sie durch
die Schaffung von Sondergerichten die möglich Möglichkeit raschester
und strengster Bestrafung jeglicher kommunistischen und anar-
chistischen Tätigkeit eröffnete. Auch dieser Versuch hatte
keinen durchschlagenden Erfolg, da die Attentäter sich aus
einem ganz engbegrenzten Kreis zu allem entschlossener fa-
natischer Politiker rekrutierte. Gerade auch von diesem Ge-
sichtspunkt war daher die zweite Aufgabe, Ergreifung der Tä-
ter nach durchgeführtem Attentat, von besonderer Bedeutung,
denn dadurch wurde nicht nur, wenn sie rasch erfolgte, die
Besatzungsmacht von der Ergreifung von Sühnemassnahmen abge-
halten, es wurden auch Personen unschädlich gemacht, die
mit Sicherheit sonst erneut Angriffe unternommen hätten.
Jede Festnahme bedeutete bei dem kleinen Kreis der Attentäter
einen schwerwiegenden Schlag gegen die Wirksamkeit des

Feuillet 53

                                                                                                                                 158

Terrorismus. Es kann bei der Gesamthaltung der französischen
Regierung kein Zweifel daran bestehen, dass sie tatsächlich
alles getan hat, um die Polizei zu energischer Tätersuche
zu veranlassen. Ob die französische Polizei dieser Weisung
durchweg gefolgt ist, musste zumindest was die Anfangszeit
angeht, fraglich bleiben. Erst sehr allmählich gelang es,
einige grösseren Attentatsserien aufzudecken, ein Ergebnis,
das naturgemäss nur unter tätigster Mithilfe von französischen
Polizeikräften zu erreichen war. Am 14.3.1942 konnte der Mi-
litärbefehlshaber dem OKH z.B. melden, dass von den 109
Anschlägen die seit dem 21.8.1941 erfolgt waren, 46 Anschlä-
ge durch die GFP. in Angers enger in Zusammenarbeit mit der franzö-
sischen Polizei aufgeklärt worden waren.
Der Zeitpunkt, zu dem die französische Regierung ihrer
dritten Aufgabe, mässigende Einflussnahme auf die Besatzungs-
macht, mit besonderer Energie nachkommen musste, war mit den
deutschen Bekanntmachungen wegen der Attentate in Nantes und
Bordeaux gekommen. Die vorangegangen Massnahmen, die der
Militärbefehlshaber noch in eigener Entschliessung hatte
durchführen können, hatten in der Oeffentlichkeit nicht den
Entrüstungssturm hervorgerufen, der sich nunmehr erhob, als
die Besatzungsmacht die sofortige Erschiessung von 50 und
die Androhung der Erschiessung von weiteren 50 Geiseln für
jedes der beiden Attentate bekanntgab. Admiral Darlan hat
sofort (am 21.10.1941) den Militärbefehlshaber aufgesucht
        an                                                                                          jede
und (mm) seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass (mm) Massener-
schiessungen nur dem Willen Englands, das deutsche und das
französische Volk gegeneinander aufzuhetzen, entgegenkomme
und die Regierungspolitik einer gegenseitigen Annäherung
schwer schädigen werde. Am 22.10.1941 bat er im Auftrag des

Feuillet 54

                                                                                                                                 159

Marschalls Pétain erneut schriftlich um möglichste Schonung
von Menschenleben. Wie schwer der Standpunkt der Kollabora-
tionspolitik durch die Massenerschiessungen beeinträchtigt
wurde, zeigt sich am deutlichsten aus der Tatsache, das der
französische Staatschef selbst, Marschall Pétain, am Vormit-
tag des 24.10. einem Kreise seiner Minister seinen Entschluss
bekanntgab, am Mittag dieses Tages den Führer persönlich über
den französischen Rundfunk mit folgendem Aufruf anzusprechen:

„Herr Führer und Reichskanzler. Ich wende mich auf dem
direktesten Wege an Sie, um Sie im Namen der heiligsten
Grundsätze der Menschheit zu bitten, mit den allzu bluti-
gen Repressalien aufzuhören.
Weil 2 deutsche Offiziere in feiger Weise von Unbekann-
ten ermordet worden sind, die durch nichts als Franzosen
bestätigt werden, sind 100 Franzosen in 2 Tagen erschossen
worden, 100 weitere mit dem Tode bedroht.
Wir sind, alle beide, entschlossen, die Schuldigen zu
suchen und zu strafen und mit all unserer Macht gegen die
ausländischen Einflüsse zu kämpfen, die ihre Arme bewaff-
net haben. Aber ich kann es nicht hinnehmen, dass das Blut
derer vergossen wird, die an diesen Mordtaten nicht betei-
ligt waren: ich würde mein Volk verraten, wenn ich mich nicht in
dieser Stunde mit einem feierlichen Protest an Sie wendete.
Wenn Sie meine Stimme nicht hören wollen und weitere
Geiselopfer brauchen, hier bin ich.
Ich werde mich heute um 14°° Uhr an der Demarkationsli-
nie bei Moulins einfinden und mich, Ihre Entscheidung er-
wartend, als Ihr Gefangener betrachten.“
Diesen Vorfall berichtete der französische Minister Pucheu im
Auftrag Darlands (sic) dem Militärbefehlshaber und teilte ihm gleich-
zeitig mit, den Ministern sei es nur mit Mühe gelungen, den
Marschall von der Durchführung seines Vorhabens abzubringen.
Auch auf andere Weise versuchte die französische Regierung
den Gefahren, die aus den Geiselerschiessungen für die

Feuillet 55

                                                                                                                                 160

deutsch-französische Zusammenarbeit entstehen mussten, nach
Möglichkeit vorzubeugen. So hat Minister Pucheu gleich nach
dem Attentat von Nantes im Hinblick auf die mit Sicherheit
zu erwartende Geiselerschiessung dem Militärbefehlshaber eine
Liste von Kommunisten übersandt, die seiner Meinung nach als
Geiseln besonders geeignet seien (vgl. Anl. 21). Zweck dieses
Schrittes war es zu verhindern, dass die Besatzungsmacht
durch Erschiessung kommunistisch wenig oder gar nicht vorbe-
lasteter Personen den nicht kommunistischen Teil der franzö-
sischen Bevölkerung in besondere Aufregung versetzte. Es
ist aber unverkennbar, dass eine solche Namhaftmachung schon
sehr eng an eine Mitwirkung bei der Erschiessung grenzt. Dies
konnte nun keinesfalls in der Absicht der französischen Re
gierung liegen, da jede Unterstützung der Geiselerschiessung
                               nationale
eine unverantwortliche (mm) Handlung gewesen wäre und die Regierung
in einen unüberbrückbaren Gegensatz zu der überwiegenden Mehr-
heit der französischen Bevölkerung, die die Geiselerschiessung
ablehnte, gebracht hätte. So hat die Generaldelegation sich
dann auch den Protest des Regierungspräfekten in Bordeaux gegen die Aufforderung seitens deutscher Behörden, als Geiseln
geeignete Personen zu benennen und festzunehmen, zu eigen ge-
macht und ihm sofort an den Militärbefehlshaber weitergegeben,
der in klarer Erkenntnis, das etwas Derartiges von französi
schen Behörden nicht verlangt werden könnte und sollte, am
27.10.1941 ein entsprechendes Verbot an alle nachgeordneten
Dienststellen erlassen hat. Die im Hinblick auf die sich über-
schneidenden Interessen schwere Abgrenzung zwischen dem, was
die französische Regierung und die französischen Behörden
von ihrem nationalen Standpunkt aus nicht tun wollten und
dem, was sie zur Verhinderung von Fehlbestimmungen von Geiseln

Feuillet 56

                                                                                                                                 161

seitens der Besatzungsbehörden tun zu müssen glaubte, hat
die französische Regierung in einer Note vom 23.10.1941
festzulegen versucht, indem sie ausführte, dass sie und die
französischen Behörden keinesfalls zur Bestimmung und zur
Festnahme von Geiseln für die Besatzungsmacht tätig (mm?) seien,
dass sie aber allen Wert darauf legen, bei der deutscherseits
getroffenen Geiselauswahl vorher gehört zu werden. Ohne auf
den letzten Wunsch einzugehen, hat der Militärbefehlshaber
die französische Regierung über das soeben mitgeteilte Verbot
an die nachgeordneten Dienststellen unterrichtet.
Ansatzpunkt für weitere Schwierigkeiten zwischen der
Besatzungsmacht und der französischen Regierung bot der
oben erwähnte Erlass des Militärbefehlshabers an die franzö-
sische Regierung, wonach vom 19.9.1941 ab alle diejenigen
männlichen Franzosen, die sich wegen kommunistischer oder
anarchistischer Betätigung bei französischen Dienststellen
in Haft irgend einer Art befanden oder noch in Haft genommen
würden, gleichzeitig auch für des Militärbefehlshaber in Haft
zu halten waren und damit zu Geiseln wurden. Die französische
Regierung hat am 30.9.1941 aus Gründen der Unabhängigkeit
der französischen Rechtspflege hiergegen Protest eingelegt.
Sie wies insbesondere darauf hin, dass nach dem Erlass auch
Untersuchungsgefangene, deren Unschuld sich alsbald heraus-
stelle, nicht mehr von den französischen Behörden in voller
Unabhängigkeit freigelassen werden könnten. In der Antwortnote
des Militärbefehlshabers vom 8.11.1941 wurde betont, dass die
französische Rechtspflege durch die Massnahme des 19.9. nicht
beeinträchtigt werde, da die Einleitung und Weiterführung.
der französischen Strafverfahren von der Erklärung der Häft-
linge zu Geiseln unberührt bleibe. Weiterhin konnte darauf

Feuillet 57

                                                                                                                                 162

hingewiesen werden dass die französischen Strafverfolgungs-
behörden bereit durch Schreiben des Militärbefehlshabers
an den Generalbevollmächtigten der französischen Regierung
vom 28.10.1941 die Ermächtigung erhalten hatten, alle Personen
die mangels ausreichenden Tatverdachts von den französischen
Behörden ausser Verfolgung gesetzt oder von den Gerichten
freigesprochen worden waren, ohne vorherige Zustimmung deut-
scher Dienststellen zu entlassen. Im übrigen war aber, ge-
stützt auf Artikel 3 des Waffenstillstandsvertrages und die
allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts die Forderung
der Franzosen auf Aufhebung des Erlasses vom 19.9.1941 zu-
rückzuweisen. Auch bezüglich der französischerseits verwal-
tungsmässig internierten Kommunisten und Anarchisten wurde
im weiteren Verlauf die Frage der Entlassung durch die fran
zösischen Dienststellen geregelt. Nachdem zunächst die deut-
sche Zustimmung für erforderlich erklärt worden war, sah der
Militärbefehlshaber am 27.1.1942, als französischerseits
die Befugnis zur Entlassung beim Innenministerium konzen-
triert worden war, von dem Erfordernis deutscher Zustimmung
ab.
7.)       Abschliessende Stellungnahme zur Frage der Zweckmässig-
                   keit der Geiselerschiessungen.
Es dürfte ausser Zweifel stehen, dass bei der Bekämpfung
der Mitte 1941 einsetzenden aktiven französischen Widerstands-
bewegung harte Massnahmen des Militärbefehlshabers erforder-
lich und wirksam waren. Sicherlich hat der Rückgriff auf die
Geiselhaftung abschreckend gewirkt und das Seinige dazu bei-
getragen, dass die Saboteure im französischen Volk zunächst
verhältnismässig isoliert blieben. Überdies hat er die
französische Regierung und auch die französische Polizei
zu einem wirksamen Kampf gegen den Terrorismus mobilisiert,
denn es galt, die bei jedem unaufgeklärten Attentat drohende
Geiselerschiessung zu vermeiden.
Bedenklich scheint jedoch auch bei nachdenklicher Beur-
teilung der im Oktober 1941 erfolgte Übergang zu Massener-
schiessungen. Zwar hat sich die durch ihn ausgelöste akute
Krise in der deutsch-französischen Zusammenarbeit überwinden
lassen, aber es ist anzunehmen, dass das Übermass in der ge-
wählten Reaktion die ursprünglich abschreckende Wirkung der

Feuillet 58

                                                                                                                                 163

Gegenmassnahmen aufgehoben hat, dass bei der Bevölkerung
die Attentäter mehr und mehr zu Helden wurden, die sich
gegen eine zu harte Besatzungsmacht auflehnten. Ohne Zweifel
ist bei den Landeseinwohnern infolge der Massenerschiessungen
unwägbar ein erster Stachel gegen die Besatzungsmacht zu-
rückgeblieben, dessen endgültige Auswirkungen wohl auch heute
noch nicht voll zu übersehen sind.
Mag es auch dem Militärbefehlshaber gelungen sein, von
Anfang des Jahres 1942 ab Massenerschiessungen in dem bis
dahin üblichen Umfang zu verhindern, so waren doch auch die
Massnahmen, die in dieser Zeit zur Durchführung gelangen
mussten: Regelmässige Erschiessung einer verhältnismässig
geringeren, aber doch noch erheblichen Anzahl von Personen
für jedes schwerere Attentat, nicht glücklich. Die Waffe
hatte sich durch die Gewöhnung abgestumpft. Sie rief deshalb
zwar auf der einen Seite nicht mehr die Erregung hervor, die
die letzten Exekutionen des Jahres 1941 ausgelöst hatten,
aber die Geiselerschiessungen verloren überhaupt allmählich
ihre aufrüttelnde und abschreckende Wirkung. Mit gutem Grund
hatte daher der Militärbefehlshaber in seinem Bericht vom
15.1.1942 um die Vollmachten zu einer der jeweiligen Lage
in Frankreich angemessenen freien Gestaltung der Sühnemass-
nahmen gebeten. Es ist im Interesse der Sache bedauerlich,
dass diesem Antrag seinerzeit nicht stattgegeben worden ist.
Die vom Reich aus zentral gesteuerten mehr oder weniger
schematische Behandlung der Frage hat sich nicht bewährt.
 »

Notes



































Aucun commentaire:

Enregistrer un commentaire